Diagnose Arthrogryposis multiplex congenita (AMC) - und nun?

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Diagnose Arthrogryposis multiplex congenita (AMC) - und nun?

Stand: 21.02.2024

Du bist auf dieser Seite gelandet, weil Du dich über die Diagnose AMC bzw. über angeborene Gelenksteife und Gelenkverkrümmungen informieren willst. Sicherlich hast Du gerade viele Fragen, auf die Du Antworten brauchst. Wir möchten dich im Folgenden mit all dem informieren und ausstatten, was Du für das Erste wissen musst. Hier bekommst Du Informationen zu dieser Diagnose und erhältst konkrete Hilfestellungen und Anlaufstellen.

Bildquelle: © Maria Sbytova/123RF.com

Falls es noch nicht lange her ist, dass Du diese Diagnose für dein Kind erhalten hast, empfehlen wir dir zu Beginn den Fachbeitrag "Diagnose Erstmitteilung - vom Suchen und Finden" zu lesen oder unser Video dazu auf YouTube anzuschauen. In diesen bekommst Du wichtige Informationen und Hinweise zu den ersten Schritten nach einer Diagnosemitteilung. 

Was ist AMC?

AMC steht für „Arthrogryposis multiplex congenita“. Das bedeutet so viel wie “angeborenes mehrfach-gekrümmtes Gelenk”. AMC ist eine angeborene Form von Gelenksteife. Die Erkrankung ist nicht heilbar, allerdings ist sie auch nicht fortschreitend. Es können Muskeln, Sehnen und Gelenkkapseln betroffen sein. Unter das Zustandsbild AMC fallen viele verschiedene Diagnosen, die zum Teil auch in Kombination mit anderen Grunderkrankungen auftreten können.
Die Ausprägung der Erkrankung ist außerdem sehr unterschiedlich. In leichten Fällen sind nur einzelne periphere Gelenke (Gliedmaßen- oder Extremitätengelenke) betroffen; in schwereren Fällen sind häufig nahezu alle Extremitätengelenke und auch die Wirbelsäule betroffen.

Unterteilung in drei Typen

Der Begriff AMC alleine lässt noch keine Rückschlüsse auf die Ausprägung der Erkrankung zu. Je nach Schweregrad der AMC lassen sich drei Typen unterscheiden.

Typ 1: Beim Typ 1 der AMC sind ausschließlich die Extremitäten bzw. einzelne Extremitäten (Hände, Arme, Füße und/oder Beine) betroffen. Grundsätzlich liegen bei der „leichteren Form“ der AMC aber keine weiteren Störungen oder Fehlbildungen vor. Kinder mit einer AMC Typ 1 entwickeln sich in der Regel geistig und sensorisch unauffällig. Innerhalb dieser Einordnung lassen sich je nach Befund weitere Untergruppen unterteilen. 
Es wird unterschieden: 

  • ob tatsächlich nur die Hände und/oder Füße betroffen sind, bei dem die restlichen Abschnitte der Extremitäten gar nicht oder nur wenig betroffen sind oder 
  • ob die gesamten Extremitäten, einschließlich Schulter- und Hüftgelenke, betroffen sind.

Typ 2: Beim Typ 2 der AMC kommen zu den Merkmalen der Typ 1 Variante noch weitere Fehlbildungen hinzu, die unterschiedliche Organe betreffen können (zum Beispiel am Kopf, an der Wirbelsäule oder auch an der Blase). 

Typ 3: Beim Typ 3 der AMC kommen zu den erstgenannten Merkmalen der Gelenksteife noch Fehlbildungen der Wirbelsäule und des zentralen Nervensystems (ZNS) hinzu. Diese sind unterschiedlich stark ausgeprägt, von „leichteren“ Fehlbildungen bis hin zu sehr schweren.

Der Zeitpunkt der Diagnosestellung hat einen erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des an AMC erkrankten Kindes. Je früher die Diagnose gestellt wird, desto eher kann mit einer gezielten Behandlung und Therapie begonnen werden.

Wie entsteht AMC?

Die AMC entsteht bereits im Mutterleib. AMC ist auf eine Entwicklungsstörung zwischen der 8. und 12. Schwangerschaftswoche zurückzuführen. Hierbei kommt es zu einer Fehlentwicklung der Muskeln, die eine nicht funktionsgerechte Ausformung der Gelenke zur Folge hat. Die Ursache ist nahezu unerforscht. 
AMC kann erblich bedingt sein, kommt in den meisten Fällen aber spontan vor. Hier kann eine humangenetische Untersuchung sinnvoll sein.

Was können wir tun?

Frühestmöglich nach der Diagnose sollte der Gelenkstatus, die Muskelfunktionen sowie die neurologische Entwicklung untersucht werden und anhand dessen die individuellen Therapien und Behandlungen eingeleitet werden. Hierfür empfiehlt sich das Aufsuchen einer Fachklinik bzw. eines Facharztes, die Erfahrung mit AMC haben.
Im Folgenden bekommst du einen Überblick über die Möglichkeiten:

Physiotherapie

Bei AMC verspricht eine frühzeitig begonnene Physiotherapie oft Erfolge. Hier können versteifte Gelenke und Muskeln mittels manueller Therapie schrittweise gelockert werden. Allem voran ist es dabei am wichtigsten, die Funktionalität der betroffenen Gelenke herzustellen oder zu erhalten. 
Ein Beispiel: Sind Hand- und Ellenbogengelenke betroffen, ist es oft möglich, durch frühzeitige Physiotherapie (manchmal auch in Kombination mit operativen Eingriffen und durch den Einsatz von Orthesen bzw. Schienen) die Funktionen der Gelenke maßgeblich zu verbessern oder sogar komplett herzustellen, so dass das Kind seine Hand zum Mund führen kann. Dies ist entwicklungspsychologisch betrachtet relativ früh für die orale Entwicklungsphase wichtig, aber natürlich auch für die selbstständige Essenseinnahme. Gute Therapieerfolge lassen sich auch durch die Vojta-Therapie oder das Bobath-Konzept erzielen.

Ergotherapie

Durch Ergotherapie soll die Bewältigung des Alltags für die Betroffenen gefördert werden.
Hier geht es um die Förderung der Sinnes- und Körperwahrnehmung sowie die Umsetzung damit verbundener Funktionen, die Förderung von Ausdauer und Konzentration oder auch bestimmte Hilfsmittel einzusetzen. In der Ergotherapie werden auch Bewegungsabläufe und Geschicklichkeit trainiert.


Operative Eingriffe

Manchmal sind Physio- und Ergotherapie nicht ausreichend, um die gewünschte Funktionalität bestimmter Gelenke herzustellen oder sie überhaupt „einsatzfähig“ zu machen. Daher können zusätzlich Operationen nötig sein. Viele Kinder mit AMC werden daher schon im ersten Lebensjahr operiert. Es ist verständlich, dass ein solcher Schritt gerade für die Eltern mit Ängsten verbunden ist. Wir möchten dennoch Mut machen, diesen Weg zu gehen, wenn die Ärzte dazu raten. Denn dies kann deinem Kind dazu verhelfen, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen.

Orthopädische Hilfsmittel

In vielen Fällen kann auch der Einsatz orthopädischer Hilfsmittel nützlich sein. Sogenannte Orthesen (Orthesen unterstützen ein bestimmtes Körperteil, Prothesen ersetzen ein Körperteil) könnten deinem Kind zum Beispiel zum Laufen verhelfen, indem die Muskulatur und die Gelenke solange gestützt werden, bis sie gestärkt sind. Auch nach operativen Eingriffen können die Ergebnisse durch Orthesen unterstützt bzw. stabilisiert werden.

Wo finde ich Hilfe?

Eine gute Anlaufstelle mit vielen Kontakten, Veranstaltungen und Informationen bietet die Interessensgemeinschaft Arthroryposis e.V.. Auch auf Social-Media (z. B. Facebook) lassen sich Gruppen finden, die sich speziell für den Austausch zu diesem Thema gegründet haben. Alternativ kannst Du eine Frage auch gerne in unserer Community stellen.

Wenn Du auf der Suche nach einem Physiotherapeuten bist, dann erkundige dich in einem Erstgespräch am besten nach den bisherigen Erfahrungen mit AMC. Der Physiotherapeut und die betreuenden Ärzte können sicherlich auch Anbieter für Orthesen empfehlen.

Um einen Rat zu erhalten in Bezug auf behandelnde Ärzte oder Kliniken, kann der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen und/oder Eltern von Kindern mit AMC hilfreich sein.

Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
Bildquelle