Behinderung benennen? Wenn ja, wie?

Guten Tag,
ich schreibe erstmals in diesem Forum. Ich habe drei Kinder, ein Sohn (zweieiiger Zwilling) hat ADHS und Teilleistungsstörungen bzw. eine Entwicklungsverzögerung und braucht ständig Betreuung. So genau kann das niemand benennen, auch nach langer Diagnostik nicht. Er ist anders und er ist jetzt 11 und es fällt zunehmend auch der Umgebung auf.
Mich beschäftigt die Frage, ob ich das endlich auch benennen soll? Und wenn ja - wie? Ist er ein Kind mit Behinderung? Bislang sage ich immer „er hat Themen“ oder so ähnlich.
Seine Brüder merken das natürlich alles und es wird aber nicht ausgesprochen. Auch er merkt, dass er anders ist als sein Zwillingsbruder bekommt aber auch keine richtige Erklärung dafür. Er merkt aber sehr wohl, dass er zu mehr Therapien gefahren wird und eine besondere Schule besucht.
Im Zuge meiner Bewusstwerdung und Annahme dieser Situation wünsche ich mir manchmal auch sprachlich und nach Außen Klarheit. Mit Blick auf meinen Sohn bin ich unsicher, ob es ihm helfen würde („ah, jetzt weiß ich was das ist“) oder sein Selbstwertgefühl schwächen würde.
Mich würden Eure Meinungen dazu interessieren.
Danke :slight_smile:

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Guten Tag und Hallo,

es ist ein guter Schritt, dass Du in unsere Community gefunden hast. Zuerst einmal, jeder ist auf eine Art anders. Wären wir alle gleich, wie langweilig wäre das Leben. Wenn man sein Leben annehmen kann, dann kommt man auch sicher leichter durchs Leben. Manchmal braucht man einen Spiegel und einen Blick hinein. Um was geht es mir? Wo möchte ich hin? Geht es um mich, oder geht es um dich? Was mir hilft, muß nicht auch dir helfen, aber vielleicht macht es mir wieder ein Fenster auf, durch das ich einen anderen Blick werfen kann. Von außen ist es sehr schwer in eine Familienkonstellation hineinzuschauen. Jeder geht auch anders mit den Herausforderungen um. Wenn dein Sohn aber bereits eine andere Schule besucht, weiß er, dass an ihm, oder an seinem Bruder etwas anders ist. Ich weiß jetzt nicht, in welchem Bubdesland ihr beheimatet seid. Mein erster Gedanke ist eigentlich, warum nicht offen damit umgehen. Man kann keine heile Welt schaffen. Irgendwann muss er sich einer Situation stellen, die er am Ende gar nicht nachvollziehen kann. Das gilt doch eigentlich auch für beide Brüder. Man sollte nichts deckeln, oder verstecken. Es holt uns in unserer Situation irgendwann wieder ein und dann sind wir immer in einer Phase, wo wir uns für alles rechtfertigen müssen. Wie viel leichter und vielleicht mit viel weniger Gedanken im Kopf, wenn man sagt wie es eben ist. Beide Brüder sind etwas besonderes und werden vielleicht immer eine besondere Verbindung haben. Dafür müssen die Bedingungen im Umgang auch gut sein.
Wart ihr als Familie mal auf einer Kur, oder z.B. im Kinderzentrum München? Es braucht, bis man als Familie mal stationär aufgenommen wird, aber dafür wird ganzheitlich die Situation hinterfragt, beobachtet und Lösungswege aufgezeigt. Auch Treffen und Gespräche mit Gleichgesinnten helfen oftmals, einen anderen Blick zu bekommen. Annehmen und das Beste daraus machen. Du kannst beide Söhne nicht ein Leben lang beschützen. Inklusion kann gelingen, wenn wir jedem Lebewesen individuell begegnen, seine Schwächen und Stärken so unterstützen, dass ein Leben in Gemeinschaft völlig normal sein kann. Dass auch der Betroffene weiß, dass es egal ist, dass er wohl anders ist, aber trotzdem ein normales Mitglied der Gesellschaft.
Es gibt diese Fachdienste in Einrichtungen. Diese werden mit Pädagogen und Psychologen besetzt. Oder Beratungsstellen und sogenannte Peergroups. Dort helfen und unterstützen sich Selbstbetroffene. Und dann wird das Geschwisterkind zunehmend wichtiger bei Therapeuten. Man findet heute viele Angebote für die Geschwisterkinder. Man sollte nicht unterschätzen, wie sie fühlen, denken und oft auch leiden. Gerade Söhne und Mütter. Bei uns findet man im Bereich Interviews auch ein Video zum Thema Geschwisterkinder. Oft fangen die Geschwister erst im Erwachsenenalter an zu reflektieren.
Es ist sicher nicht einfach, wenn man keine richtige Diagnose hat. Ihr scheint schon vieles durchlaufen zu haben in der Diagnosefindung. Solltet ihr noch nicht in einem SPZ vorstellig gewesen sein, wäre das sicher noch einmal einen Versuch wert.
Liebe Grüße
Kirsten

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Über Deine einfühlsamen Worte und auch die konkreten Hinweise habe ich mich sehr gefreut. Vielen Dank!

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