Braucht es noch "die" Eltern im Zeitalter der Selbstvertreter? Ein Nachruf

In Memorian an Gertrud Langel - eine Frau und Mutter, eine Pionierin und Teil der Säule, auf dem die Lebenshilfe steht.

Die Lebenshilfe trauert um eine hochbetagte Frau und Mutter, Gertrud Langel, die im gesegneten Alter von fast 100 Jahren gestorben ist.
Frau Langel war Gründungsmitglied der Lebenshilfe Erlangen im Jahr 1960. Sie war im Vorstand, sie war Geschäftsführerin und ehrenamtliche Mitarbeiterin. Von 1974 bis 1992 gehörte sie auch dem Vorstand der Lebenshilfe Bayern an. Frau Langel hat sich mit all ihrer Kraft, ihrem Wissen und ihrer Erfahrung stetig für die Menschen mit Behinderung eingebracht. Mit über 90 Jahren hat sie zum 60 jährigen Bestehen der Lebenshilfe Erlangen noch einmal ihre Erfahrungen zu Papier gebracht.
Sie hat hervorgehoben, wie schwer es seinerzeit überhaupt war, Unterstützung irgendeiner Art und Weise für ein Kind mit Beeinträchtigung zu bekommen. Es gab eigentlich noch gar keine Hilfen und viele Familien schämten sich nach wie vor für ihre Kinder. In den 50 ziger Jahren wurden auch viele Kinder noch im häuslichen Bereich aus Angst und Scham versteckt gehalten. Frau Langel wusste immer wovon sie sprach und das zeichnete sie auch als Expertin in eigener Sache und darüber hinaus aus. Sie konnte 7 Jahre lang ihre Tochter mit Beeinträchtigung begleiten. Der Verlust des Kindes im zarten Alter von 7 Jahren war für sie nur schwer zu kompensieren, aber sie wusste auch, dass Elternarbeit so sehr wichtig war und genau dies trieb sie auch über den Tod der Tochter hinaus an. Sie blieb der „ihrer“ Lebenshilfe treu und die Elternarbeit war für sie dabei immer im Vordergrund und das Wichtigste. Frau Langel war eine Mutter, ein Elternteil ein Aufbaustein, eine Wissens- und Datenbank. Ein verlässlicher Pfeiler, eine Frau mit viel Willenskraft, Empathie und Einfühlungsvermögen. Sie war Lebenshilfe. Sie war aber auch ein Urgestein, welches in unserer schnelllebigen Zeit und damit auch zunehmenden Professionalisierung, zu einer Personengruppe gehörte, die heute ihren Platz in der Behindertenhilfe zunehmend verteidigen muss.
Sie verfügte über ein Wissen, welches manch einem in der professionalisierten Selbsthilfe heute abgeht, bzw. welches nicht mehr nur allein gefragt ist. Sie war ein Elternteil und wusste ganz genau, wie man seinen Alltag bei all den Anforderungen auch noch meistern kann. Sie wusste es aus ihrem Innern, ihrer Erfahrung und der Erfahrung anderer Eltern.
Gott hab sie selig

Quellenangabe: Landeverband Lebenshilfe Bayern und InFranken

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