Die Forderung nach Abschaffung der Werkstätten und die Realität

Wenn man den Worten von Frau Katrin Langensiepen, Grünen Politikerin und Mitglied des Europäischen Parlaments glaubt, dann gehören alle beschützenden Werkstätten wohl abgeschafft. Als Grundlage dafür, beruft sie sich auf den Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention. Da Deutschland im Jahr 2008 diese Konvention ratifiziert hat, ensteht daraus auch die Verpflichtung, den „Erwerb von Arbeitserfahrung durch Menschen mit Behinderungen auf dem offenen Arbeitsmarkt zu fördern.“ Frau Langensiepen hat selbst eine körperliche Beeinträchtigung und engagiert sich seit Jahren für die Umsetzung von Rechten für Menschen mit Behinderung. Genau dabei zeigt sich aber wieder dieser gewisse Unterschied von eigenem Wissen und Erfahrung und eigentlich könnte man bei diesem sicher sehr gut gemeinten und teilweise sinnvollem Engagement, diese Individualität der einzelne Betroffenen in ihrer Behinderung vermissen. Menschen mit einer reinen Körperbehinderung finden sich nämlich gar nicht so zahlreich in den Werkstätten der Behindertenhilfe. Schaut man bei den Lebenshilfen vorbei, kann man erkennen, dass sich die Besucher aus Betroffenen mit einer geistigen Behinderung, teilweise auch Mehrfachbehinderung zusammensetzen. Diese Betroffenen haben auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht so einfach eine Chance, wenn diese überhaupt gegeben ist.
Nun bekommt Frau Langensiepen aus den eigenen Reihen Gegenwind. Nachdem die Grünen Politikerin, Frau Sengl, ihres Zeichens Landtagsabgeordnete in Bayern, die Nordwerkstatt in Traunreut besucht hatte, war sie vom Sinn und Zweck einer solchen Einrichtung überzeugt und findet solche beschützenden Arbeitsplätze nach wie vor wichtig. Frau Sengl unterhielt sich mit den Betroffenen Vorort und konnte sich persönlich einen Eindruck verschaffen. Es ist ein Kampf gegen ein schlechtes Image, welches durch gewisse Kräfte lauthals forciert wird. In der Gesellschaft soll der Eindruck entstehen, dass die Menschen weggesperrt und ausgenutzt werden. Das Schlimme daran ist, dass diese geschürte Negativ Kampagne auch Auftraggeber verunsichert. Ein Untergang der Werkstätten würde für viele Betroffene mit einer geistigen und/oder mehrfach Behinderung der Abschied aus einem Leben in Teilhabe bedeuten. Der Gesellschaft sollte zudem klar werden, dass eine beschützende Werkstatt eher mit einer Rehabiitationseinrichtung vergleichbar ist in der individuell gefördert und betreut wird. Für viele Betroffene der Lebensinhalt überhaupt, denn neben Beschäftigungsinhalten, kommen noch Therapien, begleitende Bildungsangebote und Freizeitmaßnahmen dazu. Eine feste Tagesstruktur ist für die Betroffenen eine große Hilfe zum Leben und vor allem es auch lebenswert zu gestalten. Denn Werkstätten bieten neben all diese Maßnahmen auch den Raum für soziale Kontakte. Auf dem ersten Arbeitsmarkt finden sich immer wieder Plätze und diese werden auch gefördert und unterstützt. Für einzelnen Betroffene auch in der Umsetzung sehr sinnvoll. Für viele weitere Betroffene wäre es aber der Weg in eine Überforderung und Vereinsamung. Es muss immer das Umfeld stimmen und jeder Betroffene selbst in seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen gesehen werden. Mit lautstarken negativ Kampagnen hilft man vielleicht einzelnen Betroffenen, aber in der Gesamtheit wäre es für viele Betroffene der Weg in die Einsamkeit ohne Tagesstruktut und Inhalt.
Frau Sengl verschaffte sich durch den Besuch und Gespräche mit den Betroffenen selbst und mit dem Geschäftsführer der Chiemgau Lebenshilfe Werkstätten CLW einen persönlichen Eindruck und kam zu dem Entschluss, dass sie auf jeden Fall gegen eine Abschaffung sei.

Quellenangabe und ausführliche Information: Traunreuter Anzeiger vom 15.03.2023 - Der Artikel kann nach einer kostenlosen Registrierung vollständig gelesen werden.