Einfach komplex - Menschen mit einer komplexen Behinderung am Rande der Gesellschaft

Menschen mit einer komplexen Behinderung haben es in mehrfacher Hinsicht nicht einfach. Zum einen werden sie immer noch teilweise separiert, aussortiert und gehören bei vielem einfach nicht dazu. Wohl wird ihnen vom Gesetz her die Teilhabe zugestanden, Mittel dafür bereitgestellt, aber mit der Umsetzung klappt es nun mal auf vielen Ebenen so gar nicht. Eltern und Angehörige hoffen auch oftmals vergeblich auf Hilfe und Unterstützung, wenn sie bei Einrichtungsträgern vorstellig werden. Wer kann (will?) sie schon, wer kann denn auch heutzutage schon noch das ensprechende Personal für den Mehrbedarf vorhalten? Die einen sind nur für die Werkstattgänger zuständig, die anderen für die sebehinderten und blinden Mitmenschen, die einen haben keine Nachtwache, die anderen nur eine Nachtbereitschaft. Das hilfreiche Verweisen auf reine Pflegeheime ist wahrlich nicht immer die Lösung für Menschen, die am Anfang ihres Lebens stehen und auch Bedürfnisse haben, wie ihresgleichen ohne Behinderung. Wir lesen soviel über Inklusion, Abschaffung von Werkstätten, wohnen wie ich es mag, aber wo tauchen denn da die Menschen mit hohem Hilfebedarf auf? Wer behauptet, dass Selbstvertreter auch für diese Menschen sprechen, mag davon überzeugt sein und gutes im Sinn haben. Ist es aber nicht eher so, als ob ein nicht behinderter Mensch genau zu wissen meint, was für einen Menschen mit Behinderung gut ist? Also eine Abstufung im System? Was da nämlich fehlt, ist einfach „die“ Stimme der Menschen mit hohem Hilfebedarf. Man nimmt ihnen doch zunehmend ihre Stimme, wenn man immer mehr deren Eltern in den Hintergrund drückt und die inklusive Bewegung mit ihren Selbstvertretern nach vorne schiebt. Diese sind ein Blickfang Aushängeschild zum Thema Inklusion und zeigen, dass man nicht über sie spricht, sondern mit ihnen. Da gehören Eltern, noch dazu oftmals unbequeme Eltern mit ihren schier nicht umsetzbaren Forderungen, doch gar nicht mehr so richtig rein. Einzelne Eltern, überwiegend junge Eltern mit noch vorhanden Kräften, mögen heute vieles noch durchsetzen können und werden dem heutigen Stand entsprechend versorgt, aber was wenn ihre Kinder volljährig werden? Wo sind denn die „alten“ Eltern mit ihren teilweise noch zuhause lebenden Kindern jenseits der 60 Jahre? Die gibt es und stehen auf endlosen Wartelisten. „Ihr müsst endlich abgeben“…eine gern zitierte Floskel in der Behindertenhilfe. Wie denn, wenn es erst gar keine Möglichkeiten dafür gibt? Gerade Eltern von Kindern mit einer komplexen Behinderung bleiben bis zum letzten Atemzug in der Verantwortung.

Es gibt aber auch Träger, die stellen dann auch mal die Menschen mit komplexer Behinderung in den Mittelpunkt. So geschehen bei der Lebenshilfe Köln, die mit ihrem Beitrag genau dieses Klientel (wieder) sichtbar machen möchte.

In dem zuvor angesprochenen Magazin berichten Familien/Eltern von ihren Erfahrungen. In dem Leitartikel erläutert Frau Prof. Barbara Fornefeld den Begriff der „Menschen mit komplexer Behinderung“. Diese Menschen sind und bleiben überwiegend in allem abhängig von ihren Familien, oder professionellen Bezugspersonen und da taucht ja auch schon das nächste Problem auf. Der Fachkraftmangel. Diese Lebenshilfe in Köln ist in meinen Augen sehr mutig und vor allem bleibt sie sich und ihrem Auftrag selbst treu. In den vielen Beiträgen aus den Familien kann man nachlesen, wie wichtig nach wie vor die Rolle der Eltern ist. Egal ob für eine adäquate Betreuung selbst, oder auch die Verstretung gegenüber Behörden. Ob für die medizinische Versorgung, oder auch einfach für eine begrenzte Teilhabe, denn die wird diesem Klientel wohl zugesprochen, aber es finden sich ja erst gar keine Einrichtungen, die Menschen mit komplexer Behinderung eine Heimat im Rahmen der Eingliederungshilfe anbieten können. Papier ist bekanntlich geduldig, wir Eltern und unsere Kinder mit komplexer Behinderung müssen es auch sein. Man erwartet es einfach von uns. Und was erwarten wir?
Die Lebenshilfe Köln steht dazu und gibt diesem Klientel mit ihrem Eltern eine Bühne. Hoffen wir, dass viele Menschen aus den Fachbereichen, aus der Leistungserbringerebene, Leistungsträgerebene diese Lektüre einmal zur Hand nehmen und aufmerksam durchlesen. Immerhin handelt es sich um Menschen wie sie selbst es sind und dafür entsprechend in Verantwortung stehen.

Das Magazin der Lebenshilfe Köln „Kontakte“ kann im Internet heruntergeladen werden.

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