Corona, Quarantäne, Mallorca, Impfen, Biontech, AFP2 Masken, Isolation, usw.
Viele Worte, Gedanken und Sätze begleiten uns seit Anfang 2020. Irgendwie hat eine neue Zeitrechnung begonnen. Wir reden von „seit Corona“, nach „Ausgangssperre“, oder auch vor dem nächsten „Shut-Down“.
Wir leben vielleicht etwas bewusster, gehen sorgsamer um und freuen uns, wenn wir wieder den gewohnten, zumindest teilweise gewohnten Ritualen und dem Pflegen sozialer Kontakte nachgehen können.
Aber können das wirklich alle in unserem Land? Da finden sich die vergessenen Menschen in den Wohnheimen der Behindertenhilfe. Diese Menschen wissen nicht von den Gefahren und Risiken, sie haben auch bereits jeden Rhythmus verloren. Vor Corona sind sie unter der Woche in einen zweiten Lebensbereich gewechselt. Sie wussten vom natürlichen Instinkt her, wann Samstag ist, wann Besuch kommen könnte und wann es wieder Montags raus in die Teilhabe geht. Aber sie sitzen seit März 2020 fest in ihrem Wohnheim fest. Anfangs über Wochen und Monate aus dem Nichts ohne Kontakte zu ihren engsten Vertrauten. Sie konnten es nicht verstehen und keiner konnte es ihnen erklären. Sie hatten keine Chance! Sie wissen auch nicht um das Tun der Aktivisten, der Selbstvertreter und deren Auftritte im Social Media. Genauso wenig wissen diese Aktivisten um den realen Alltag, der sich gerade in den Wohnheimen mit erhöhtem Hilfebedarf abspielt. Sie wollen es auch gar nicht wissen, weil sie jegliche Beziehung zu so einem Wohnheim ablehnen. Sie reißen die Aufmerksamkeit an sich, wenn sie mal über die Tötungsdelikte z.B. in Potsdam ihre Meinung äußern, oder wenn 12 hilflose Menschen in den Fluten ertrinken. Sie tun es, weil sie auf sich selbst aufmerksam machen wollen. Eigentlich interessiert sie nur ihre eigene Situation. Die soll möglichst mitten in der Gesellschaft sein. Auch die Presse findet den Inhalt von stationären Wohnheimen der Behindertenhilfe nicht interessant genug, ausführlich darüber zu berichten. Wen interessiert es den auch in der Gesellschaft, wenn hilflose Menschen keine Physiotherapie mehr bekommen, ihr Körper in der seit 1 1/2 Jahren stattfindenden Isolation zunehmend abbaut, Muskel schwinden, Wirbel hervortreten und eine Skoliose zusätzlich dadurch verstärkt wird? Wenn Beine krumm werden, die Sprache versiegt, der Willen erlahmt und die Kraft schwindet? Corona kostet manchen von ihnen wertvolle Lebenszeit auf Erden. Ist es nicht einem schleichenden Tod gleichzusetzen, der da auf leisen Sohlen durch Teile unserer gleichberechtigten Bevölkerung zieht?
Wo sind die Selbstvertreter, die Behindertenhilfe, die Verantwortlichen in den Reihen der Leistungsträger, der Leistungsanbieter und den Wohlfahrtsverbänden sowie der Kirche? Die Realität ist grausam. Sie ist grausam, weil jeder nach sich schaut, nach vorne den Blick ausrichtet und an sein eigenes Wohl denkt. Das „Wir“ in der Selbsthilfe und in dem Engagement hört an der vorletzten Stufe, so erscheint es einem zunehmend, plötzlich und einfach auf!
Auf dieser untersten Stufe finden sich die Menschen mit hohem Hilfebedarf. Teilweise neben einer geistigen und körperlichen Beeinträchtigung, manchmal auch blind, vielleicht taub, im Rollstuhl und nachts mit einem Gurt im Bett fixiert. Weil das Personal nicht reicht, oder weil es sich auch lieber angenehmere Jobs sucht. Verständlich ja. Darum muss man etwas tun! Nicht nur für sich, sondern auch über den Tellerrand hinaus. Nur so denken und handeln wir am Ende auch wirklich sozial. Alles andere ist die Suche nach dem eigenen Glück und Wohlergehen.
Das war auch der Weg vor über 80 Jahren. Es gibt sie noch heute, diese Menschen, die wir eigentlich doch nur von Bildern aus alten Lehrbüchern und Dokumentationen kennen. Diese Menschen, die mit leerem Blick auf dem Fußboden herumrutschen, angegurtet im Bett liegen, still, wartend auf das Ungewisse. Den Tod, der am Ende vor ihnen steht, vor dem sie im Vorfeld keine Angst haben, aber wenn er anklopft auch irgendwie alleine mitgehen müssen. Wohin? In eine bessere Welt? Manchmal könnte man anfangen, genau das zu glauben. Ist das aber nicht der Moment, vor dem wir die Augen nicht verschließen sollten? Oder ist man am Ende doch ein Mitläufer, Mitwisser und in einigen Jahren hat niemand etwas davon gewusst oder mitbekommen?
Ich habe es jetzt mal aufgeschrieben. Zeilen aus meinem Innern, aus meinen Gedanken aus meiner eigenen Erfahrung und zunehmenden Verzweiflung. Zeilen, die aus Enttäuschung, stiller und unterdrückter Wut mit teilweiser Resignation hervorquellen.
Ich glaube, ich fange mich allmählich an zu schämen ein Teil der Gesellschaft zu sein, so auch ein Mitläufer zu werden und damit verantwortlich für Taten, die man niemals wieder gut machen kann.