Interview zum Welt-Down-Syndrom-Tag

Was uns in Zukunft erwartet, ist ein neuer Verteilungskampf um öffentliche Gelder. Wir befinden uns jetzt im Wettbewerb mit allgemeinen Schulen, anderen Sozialleistungen, der Bundeswehr, dem Energiesektor. Aber unsere Kinder sind nicht so protestgeeignet wie deutsche Bauern. Wir können keine Straßen mit Traktoren blockieren, wir können uns nicht festkleben und wir können auch nicht streiken. Wir sind nicht kampferprobt. Das führt zu einer wehrlosen Situation gegenüber mancher Willkür in den Verteilungskämpfen.

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Ein sehr gutes Interview mit knallharter Sicht der Dinge. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass der Begriff „Down Syndrom“ viel beinhaltet. Von einer Diagnose, die von Geburt an etwas bedeutet, unter der man sich etwas vorstellen kann. Das geht vom guten Zusammenhalt der Eltern untereinander mit Erfahrungsaustausch, bis zu klassischen Berichten mit entsprechenden Fotos auf Flyern etc. Bis heute steht der Begriff für ein „behindertes Kind“, wovor man in einer Schwangerschaft Angst hat. Junge Paare oder Mütter wissen eigentlich zu Beginn einer Schwangerschaft noch gar nicht, wie weit die Spanne der Möglichkeiten einer Behinderung sein kann. Selbst bei Kindern mit Trisomie kam sich ein unterschiedliches Bild, möglicher Behinderungen zeigen. Mit der Erfahrung aus 34 Jahren Mutter eines Kindes mit komplexen Behinderungsbild zu sein, bin ich heute unterwegs. Ich muss heute zunehmend hilflos mit erleben, wie sich die Welt entwickelt. Für was und wen der Begriff Behinderung steht und wie die Klassifizierung weiter geht. Wir können Protestmärsche starten, Aktionen planen, aber es interessiert allenfalls Gleichbetroffene und Angehörige. Wir konnten in der Vergangenheit mit Wissen, Mut und Ausdauer, mit einem Zusammenhalt noch vieles erkämpfen. Auch hier auf intakt, wenn ich an die Kindergeldabzweigung denke.

Man hat schon immer versucht, uns neben all den Anforderungen aus dem Alltag, das Leben zusätzlich schwer zu machen. Wir haben dabei aber nie das große Interesse der breiten Gesellschaft hervorgerufen. Schaue ich heute auf die Entwicklung im Pflege- und Gesundheitsbereich und die zunehmend fehlenden Gelder, fange ich an zu resignieren. Ich blicke auf die verzweifelten Eltern von erwachsenen Kindern mit hohem Hilfebedarf, die aus vorhandenen Einrichtungen fliegen, weil man mit vorhandenen Mitteln und Personalschlüssel eine Betreuung nicht mehr leisten kann. Die verantwortlichen Einrichtungen können auch keine passende Alternative vermitteln, weil es die nicht (mehr) gibt. Träger ziehen sich zunehmend aus der Verantwortung, weil sie es nicht mehr leisten können. Die Realität zeigt sich knallhart und wir sind noch nicht ganz unten angekommen. BTHG bedeutet Teilhabe, steht für Verbesserung. BTHG steht bedeutet aber auch, dass Menschen mit hohem Hilfebedarf erst gar nicht davon profitieren können. 266€ zahlt die Pflegeversicherung bei stationärer Unterbringung im Monat. Das reicht nicht, um mit der zustehenden Eingliederungshilfe auch noch Teilhaben zu ermöglichen.

Der Begriff Welt Down Syndrom Tag steht für Leben, Normalität und bunte Socken. Er steht für mich aber auch für das gesamte Bild und die breite Landschaft der Welt aller möglichen Behinderungsbilder. Es gibt nicht den Menschen mit……wir sind ganz am Anfang, wenn zwei Menschen sich vereinen, alle gleich und werden alle mit den gleichen Rechten geboren. Es ist allein die Gesellschaft, die vielen von unseren betroffenen Kindern, ihre Rechte einschränken, ihnen sogar absprechen oder einfach nehmen und am Ende sich zunehmend selbst überlassen. Ich frage nicht nur mich, was passiert mit den Menschen, die heute alt werden durften und teilweise mit über 60 noch von hoch betagten Eltern/Müttern zuhause betreut werden, wenn das Zuhause weg bricht?
Zukunftsgedanken, die Angst machen.

Trotzdem und genau darum ist es wichtig, dass es eben diesen Tag gibt. Wir dürfen nie aufgeben zu zeigen, wieviel Leben in unseren Betroffenen steckt. Wieviel Potenzial, Seele, Herz, Gefühle und auch Liebe, sich in unseren Kindern versteckt. Wie bunt die Welt sein kann, wenn man unterstützt und fördert und dieses Recht auf Unterstützung immer gewahrt bleiben wird.

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