Diagnosen
Diagnose Mutismus - und nun?
Stand: 17.04.2025
Vielleicht bist Du hier gelandet, weil dein Kind die Diagnose Mutismus erhalten hat. Vielleicht suchst Du auch einfach nach Informationen zu diesem Thema. Im Folgenden erhältst Du einen ersten Überblick zur Diagnose Mutismus und bekommst einige Informationen. Außerdem bekommst Du ein paar Tipps, wie Du dein Kind unterstützen kannst. Es gibt Merkmale die häufiger bei einer Diagnose auftreten, Du solltest jedoch immer beachten, dass jedes Kind unterschiedlich ist.
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Falls es noch nicht lange her ist, dass Du diese Diagnose für dein Kind erhalten hast, empfehlen wir dir zu Beginn den Fachbeitrag "Dein Kind hat eine Behinderung? Erste Informationen und Anlaufstellen." zu lesen oder unser Video "Eine Diagnose - vom Suchen und Finden." auf YouTube anzuschauen. In diesen bekommst Du Informationen und Hinweise zu den ersten Schritten nach einer Diagnosemitteilung.
Was ist Mutismus?
Mutismus kommt vom lateinischen Wort "mutus", was sprachlos bedeutet. Dieses Wort trifft jedoch nicht ganz zu, da die meisten Menschen mit Mutismus eigentlich dazu in der Lage wären zu sprechen, dies aufgrund von Angst jedoch nicht tun.
Es gibt verschiedene Arten von Mutismus:
- Der (s)elektive Mutismus ist eine Kommunikationsstörung, die durch Angst ausgelöst werden kann. Kinder schweigen in spezifischen sozialen Situationen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, obwohl sie eigentlich dazu fähig sind zu sprechen. In der Kommunikation mit der eigenen Familie daheim gibt es oft keine Auffälligkeiten. Im gesamten öffentlichen Leben wirken sie jedoch oft wie erstarrt und schweigen. Ein Erklärvideo zum selektiven Mutismus vom Kanal KiJu Abteilung findest Du auf YouTube.
- Der totale Mutismus ist eine sehr schwere Form von Mutismus. Beim totalen Mutismus fehlen sämtliche lautsprachliche Leistungen wie Husten, Weinen und Lachen - und natürlich das Sprechen. Ein totaler Mutismus kann aus einem selektiven Mutismus resultieren oder durch ein traumatisches Ereignis ausgelöst worden sein. Er tritt jedoch häufiger bei Jugendlichen oder Erwachsenen auf, als bei Kindern.
- Dem akinetischen Mutismus geht in der Regel eine Verletzung des Gehirns voraus. Entweder ist das Frontalhirn oder der Gyrus cinguli beschädigt. Der Gyrus cinguli ist ein Anteil des Endhirns und zählt zum limbischen System. Er ist unter anderem an der Entstehung und Verarbeitung von Emotionen beteiligt. Das Frontalhirn hingegen ermöglicht die Beherrschung der Emotionen. Diese Bereiche des Gehirns nehmen insbesondere bei einem Schlaganfall mit beidseitigem Verschluss der Großhirnarterie Schaden. Auch bei einem Schädel-Hirn-Trauma kann es zur Beschädigung des Frontalhirns und des Gyrus cinguli kommen.
Diese Form des Mutismus ist eine neurologische Erkrankung und keine psychische Störung.
Welche Ursachen hat Mutismus?
Die genauen Ursachen für Mutismus sind nicht eindeutig geklärt. Derzeit geht die Wissenschaft aber von einer Kombination aus genetischen Faktoren (beispielsweise familiäre Veranlagung für ein gehemmtes Kommunikations-/ Sozialverhalten), psychischen Faktoren (beispielsweise Ängste oder Depressionen), psychogene Faktoren (beispielsweise Stress) und soziokulturelle Faktoren (beispielsweise ein Umfeld das schlecht für die Entwicklung des Kindes ist) aus.
Was ist ein möglicher Verlauf von Mutismus?
Viele der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Mutismus haben eine genetische Disposition zur Ängstlichkeit und Gehemmtheit. Das bedeutet, dass sie eine Tendenz geerbt haben, auf ungewohnte Situationen und fremde Personen extrem ängstlich und kommunikativ verschlossen zu reagieren.
Im Kleinkindalter äußert sich dies zum Beispiel durch Trennungsangst von den Eltern, extrem klammerndes Verhalten vor allem gegenüber der Mutter, wenig Drang zur körperlichen Bewegung, Einschlafstörungen, Launenhaftigkeit oder Wut- oder Weinanfälle, wenn etwas anders läuft als gewollt. Zu einer Rede- und Kommunikationsangst kommen oft noch Symptome, wie beispielsweise eine starre Körperhaltung, leerer Gesichtsausdruck, Vermeidung der Blickfixierung, fehlendes lautes Lachen, Weinen oder Husten dazu.
Bei Kindern mit (s)elektivem Mutismus werden die Angstreaktionen durch soziale Interaktionen wie Spielplatz, Schule oder durch soziale Zusammenkünfte ausgelöst. Auch wenn es für Außenstehende oft keinen logischen Grund für diese Ängste gibt, sind die Gefühle für das Kind äußerst real.
Woran erkenne ich Mutismus?
Oft ist es für die Eltern nicht leicht zu erkennen, ob ihr Kind Mutismus hat oder nicht. Viele der Kinder sprechen in der vertrauten Umgebung daheim mit allen Mitgliedern der Familie. Das Schweigen hingegen tritt oft eher im Kindergarten oder der Schule auf, wodurch viele Eltern es leider erst relativ spät mitbekommen. Im Gegensatz zu schüchternen Kindern, die auf erneutes Nachfragen von Fremden oft in irgendeiner Art und Weise antworten, bleibt eine Reaktion bei Kindern mit Mutismus häufig völlig aus.
Folgende Fragen können dir dabei helfen herauszufinden, ob bei deinem Kind Mutismus vorliegt oder nicht:
- Schweigt dein Kind gegenüber bestimmten Menschen oder Menschengruppen oder in bestimmten Situationen?
- Hört dein Kind daheim schlagartig auf zu reden, wenn ein Fremder den Raum betritt?
- Hat dein Kind Angst vor Aktivitäten, wie beispielsweise Fahrrad fahren, Schwimmen oder Klettern?
- Hat dein Kind große Probleme damit im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen?
- Hat dein Kind Angst vor körperlicher Nähe zu Fremden, Angst alleine zu schlafen und zeigt gelegentliches Bettnässen?
Wenn Du einige dieser Fragen mit einem Ja beantworten würdest, könnte es darauf hindeuten, dass bei deinem Kind Mutismus vorliegt. Es ist jedoch wichtig, dies fachlich genauer abklären zu lassen, da diese Fragen zwar eine Richtung aufzeigen, aber keine Garantie für eine sichere Diagnose liefern.
Was können Eltern konkret tun?
Im Folgenden bekommst Du einige konkrete Tipps, die dir im Umgang mit deinem Kind weiterhelfen können. Da jedes Kind und jede Situation sehr unterschiedlich sind, solltest Du herausfinden, welche Tipps für dein Kind besonders hilfreich sind.
- Versuche nicht dein Kind zum Sprechen zu zwingen. Drohungen haben meistens keine positiven Auswirkungen auf das Kind, sondern bewirken genau das Gegenteil.
- Versuche dein Kind nicht überzubehüten und nimm ihm nicht alles ab. Eine Überbehütung kann bei einigen Kindern dazu führen, dass es sich bei fordernden Situationen nicht zuständig fühlt oder diese als unangemessen betrachtet.
- Zeige deinem Kind, dass Du es verstehst und das Sprechen beispielsweise im Kindergarten, der Schule oder vor mehreren Personen manchmal Überwindung kostet, Du aber an dein Kind glaubst.
- Frage dein Kind konkret, welche Hilfsangebote ihm vielleicht helfen könnten. Zum Beispiel: „Was benötigst Du um „Hallo“, „Danke“ oder „Bitte“ zu sagen?“ „Was könnte dir helfen?“
- Zeige deinem Kind, dass es nicht alleine in der Situation ist, sondern dass Du als Elternteil alles in deiner Macht Stehende versuchst, um zu helfen und zu unterstützen.
- Wenn dein Kind anfängt mit einer fremden Person zu sprechen, wird das für dich wahrscheinlich eine besonders große Freude sein. Versuche jedoch dies vor deinem Kind als ganz normal zu betrachten, denn dein Kind möchte vielleicht gar nicht im Mittelpunkt stehen und könnte dadurch verunsichert werden.
- Lade Freunde aus dem Kindergarten oder der Nachbarschaft ein.
- Gebe den zuständigen Erziehern und Pädagogen beispielsweise diese Informationen auf der Seite mutismus-therapie.de mit, falls vor Ort kein ausreichendes Wissen über Mutismus besteht. Auf der Seite mutismus.de findest Du außerdem viele konkrete Tipps, die für Erzieher und Pädagogen sehr hilfreich sein können.
Weiterführende Informationen
- Beratung zu selektivem der totalen Mutismus und zur Mutismus Therapie erhältst Du durch das Mutismus Beratungszentrum in München
- In dieser Broschüre des Zentrums für Entwicklung und Lernen, Heidelberg (PDF-Download) für Eltern
- Mutismus Selbsthilfe Deutschland e.V.
- Persönliche Erfahrungsgeschichte über ein Leben mit einem Kind mit Mutismus
- Informationen des deutschen Bundesverbands für Logopädie
- StillLeben e.V. Hannover
Quellenverzeichnis
- http://boris-hartmann.de/de/mutismus/was-ist-mutismus.html
- https://www.dbl-ev.de/kommunikation-sprache-sprechen-stimme-schlucken/stoerungen-bei-kindern/stoerungsbereiche/komplexe-stoerungen/mutismus.html
- https://www.mutismus.de/mutismus/10-faqs-zum-mutismus
- https://www.mutismus.de/mutismus/leitlinien-fuer-paedagogen
- https://www.selektiver-mutismus.de/informationen/fu-r-eltern/