Diagnose Mutismus - und nun?

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Diagnose Mutismus - und nun?

Stand: 16.02.2023

Vielleicht bist Du hier gelandet, weil dein Kind die Diagnose Mutismus erhalten hat. Vielleicht suchst Du auch einfach nach Informationen zu diesem Thema. Im Folgenden erhältst Du einen ersten Überblick und bekommst einige hilfreiche Informationen. Auch wenn jedes Kind ganz unterschiedlich ist, gibt es Merkmale, die bei der Diagnose typisch sind. Außerdem bekommst Du ein paar Tipps, wie Du dein Kind unterstützen kannst. Falls es noch nicht lange her ist, dass Du diese Diagnose für dein Kind erhalten hast, empfehlen wir dir zu Beginn den Fachbeitrag "Diagnose Erstmitteilung - vom Suchen und Finden“ zu lesen. In diesem bekommst Du wertvolle Informationen und Hinweise zu den ersten Schritten nach einer Diagnosemitteilung.


Bildquelle: iStock.com/fizkes 

Falls es noch nicht lange her ist, dass Du diese Diagnose für dein Kind erhalten hast, empfehlen wir dir zu Beginn den Fachbeitrag "Diagnose Erstmitteilung - vom Suchen und Finden“ zu lesen oder unser Video dazu auf YouTube anzuschauen. In diesen bekommst Du wichtige Informationen und Hinweise zu den ersten Schritten nach einer Diagnosemitteilung

Was ist Mutismus?  

Mutismus kommt vom lateinischen Wort "mutus", was sprachlos bedeutet. Dieses Wort trifft jedoch nicht ganz zu, da die meisten Menschen mit Mutismus eigentlich dazu in der Lage wären zu sprechen, dies aufgrund von Angst jedoch nicht tun.

Es gibt verschiedene Arten von Mutismus:  

  • (S)elektiver Mutismus
  • Totaler Mutismus
  • Akinetischer Mutismus

Der (s)elektive Mutismus ist eine Kommunikationsstörung, die durch Angst ausgelöst werden kann. Kinder schweigen in spezifischen sozialen Situationen oder gegenüber einem bestimmten Personenkreis, obwohl sie eigentlich dazu fähig sind zu sprechen. In der Kommunikation mit der eigenen Familie daheim gibt es oft keine Auffälligkeiten. Im gesamten öffentlichen Leben wirken sie jedoch oft wie erstarrt und schweigen.  

Der totale Mutismus ist eine sehr schwere Form von Mutismus. Beim totalen Mutismus fehlen sämtliche lautsprachliche Leistungen wie z. B. Husten, Weinen, Lachen etc. - und natürlich das Sprechen. Ein totaler Mutismus kann aus einem selektiven Mutismus resultieren oder durch ein traumatisches Ereignis ausgelöst worden sein. Er tritt jedoch häufiger bei Jugendlichen oder Erwachsenen auf, als bei Kindern.  

Dem akinetischen Mutismus geht in der Regel eine Verletzung des Gehirns voraus. Entweder ist das Frontalhirn oder der Gyrus cinguli beschädigt. Der Gyrus cinguli ist ein Anteil des Endhirns und zählt zum limbischen System. Diese Bereiche des Gehirns nehmen insbesondere bei einem Schlaganfall mit beidseitigem Verschluss der Großhirnarterie Schaden. Auch bei einem Schädel-Hirn-Trauma kann es zur Beschädigung des Frontalhirns und des Gyrus cinguli kommen.
Diese Form des Mutismus ist eine neurologische Erkrankung und keine psychische Störung.

Welche Ursachen hat Mutismus?  

Die genauen Ursachen für Mutismus sind nicht eindeutig geklärt. Derzeit geht die Wissenschaft aber von einer Kombination aus genetischen Faktoren (z. B. familiäre Disposition für ein gehemmtes Kommunikations-/ Sozialverhalten), psychischen Faktoren (z. B. Ängste / Depressionen), psychogene Faktoren (z. B. Stress) und soziokulturelle Faktoren (z. B. entwicklungshemmende Milieueinflüsse) aus.  

Was ist ein möglicher Verlauf von Mutismus?

Viele der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Mutismus haben eine genetische Disposition zur Ängstlichkeit und Gehemmtheit. Das bedeutet, dass sie eine Tendenz geerbt haben, auf ungewohnte Situationen und fremde Personen extrem ängstlich und kommunikativ verschlossen zu reagieren.

Im Kleinkindalter äußert sich dies zum Beispiel durch Trennungsangst von den Eltern, extrem klammerndes Verhalten vor allem gegenüber der Mutter, wenig Drang zur körperlichen Bewegung, Einschlafstörungen, Launenhaftigkeit oder Wut- oder Weinanfälle, wenn etwas anders läuft als gewollt. Zu einer Rede- und Kommunikationsangst kommen oft noch Symptome, wie beispielsweise eine starre Körperhaltung, leerer Gesichtsausdruck, Vermeidung der Blickfixierung, fehlendes lautes Lachen, Weinen oder Husten dazu. 
 
Bei Kindern mit (s)elektivem Mutismus werden die Angstreaktionen durch soziale Interaktionen wie Spielplatz, Schule oder durch soziale Zusammenkünfte ausgelöst. Auch wenn es für Außenstehende oft keinen logischen Grund für diese Ängste gibt, sind die Gefühle für das Kind äußerst real.

Woran erkenne ich Mutismus? 

Oft ist es für die Eltern nicht leicht zu erkennen, ob ihr Kind Mutismus hat oder nicht. Viele der Kinder sprechen in der vertrauten Umgebung daheim mit allen Mitgliedern der Familie. Das Schweigen hingegen tritt oft eher im Kindergarten oder der Schule auf, wodurch viele Eltern es leider erst relativ spät mitbekommen. Im Gegensatz zu schüchternen Kindern, die auf erneutes Nachfragen von Fremden oft in irgendeiner Art und Weise antworten, bleibt eine Reaktion bei Kindern mit Mutismus häufig völlig aus.  

Folgende Fragen können dir dabei helfen herauszufinden, ob bei deinem Kind Mutismus vorliegt oder nicht:

  • Schweigt dein Kind gegenüber bestimmten Menschen oder Menschengruppen oder in bestimmten Situationen?
     
  • Hört dein Kind daheim schlagartig auf zu reden, wenn ein Fremder den Raum betritt?
     
  • Hat dein Kind Angst vor Aktivitäten, wie z. B. Fahrrad fahren, Schwimmen oder Klettern?
     
  • Hat dein Kind große Probleme damit im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen?
     
  • Hat dein Kind Angst vor körperlicher Nähe zu Fremden, Angst alleine zu schlafen und zeigt gelegentliches Bettnässen?

Wenn Du einige dieser Fragen mit einem Ja beantworten würdest, könnte es darauf hindeuten, dass bei deinem Kind Mutismus vorliegt. Es ist jedoch wichtig, dies fachlich genauer abklären zu lassen, da diese Fragen zwar eine Richtung aufzeigen, aber keine Garantie für eine sichere Diagnose liefern.

Was können Eltern konkret tun?  

Im Folgenden bekommst du einige konkrete Tipps, die dir im Umgang mit deinem Kind weiterhelfen können. Da jedes Kind und jede Situation sehr unterschiedlich sind, solltest Du herausfinden, welche Tipps für dein Kind besonders hilfreich sind.

  • Versuche nicht dein Kind zum Sprechen zu zwingen. Drohungen haben meistens keine positiven Auswirkungen auf das Kind, sondern führen eher zu einem Teufelskreislauf.
     
  • Versuche dein Kind nicht überzubehüten. Vermehrte Zuwendung oder Beschützung aufgrund des Schweigens können dazu führen, dass dein Kind das Schweigen zum Vorteil nutzt und als etwas Positives abspeichert.
     
  • Zeige deinem Kind, dass Du es verstehst und das Sprechen z. B. im Kindergarten, der Schule oder vor mehreren Personen manchmal Überwindung kostet, Du aber an dein Kind glaubst.
     
  • Frage dein Kind konkret, welche Hilfsangebote ihm vielleicht helfen könnten. Zum Beispiel: „Was benötigst du um „Hallo“, „Danke“ oder „Bitte“ zu sagen?“ „Was könnte dir helfen?“
     
  • Zeige deinem Kind, dass es nicht alleine in der Situation ist, sondern dass Du als Elternteil alles in deiner Macht Stehende versuchst, um zu helfen und zu unterstützen.
     
  • Wenn dein Kind anfängt mit einer fremden Person zu sprechen, wird das für dich wahrscheinlich eine besonders große Freude sein. Versuche jedoch dies vor deinem Kind als ganz normal zu betrachten, da ein Übermaß an Lob oft die Gefahr für erneutes Schweigen darstellt.
     
  • Lade Freunde aus dem Kindergarten oder der Nachbarschaft ein!
     
  • Gebe den zuständigen Erziehern und Pädagogen beispielsweise diese Informationen auf der Seite mutismus-therapie.de mit, falls vor Ort kein ausreichendes Wissen über Mutismus besteht. Auf dieser Seite findest Du außerdem viele konkrete Tipps, die für Erzieher und Pädagogen sehr hilfreich sein können.
Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
Bildquellen