Trauer bei Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen

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Trauer bei Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen

Stand: 10.10.2024

Trauer und Verlust gehören zu jedem Leben dazu. Es ist kein leichtes Thema und oft mit viel Hilflosigkeit verbunden. Leider wird daher oft geschwiegen, was eine Trauerarbeit und eine Verarbeitung nicht möglich macht beziehungsweise sehr erschwert. Besonders bei Eltern von Menschen mit Behinderung, als auch bei Menschen mit einer geistigen Behinderung, werden die wichtigen Trauerprozesse im Leben oft übergangen oder missachtet. Jeder Mensch geht mit dem Thema Verlust, Tod und Trauer ganz individuell um und jeder muss so trauern können und dürfen, wie er es möchte. Auch das Abschied nehmen stellt einen wichtigen Teil des Trauerprozesses dar. Im folgenden Fachbeitrag geht es um verschiedene Arten von Trauer.

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Trauer ist mehr als Sterben und darf nicht vermieden werden

Wenn wir von Trauer reden, denken wir zunächst an die Trauer im Zusammenhang mit Sterben und Tod. Trauer ist aber mehr. Sie ist ein umfassender Prozess, der uns das ganze Leben über begleitet. Trauer entsteht immer, wenn wir Abschied nehmen müssen. Und in jedem Leben muss Abschied genommen werden, sowohl von Personen als auch von Lebenszusammenhängen, vielleicht auch von Tieren, aber genauso von Wünschen und Träumen. 

Trauer ist ein Prozess, den wir nicht mit dem Denken steuern können, sondern er vollzieht sich auf seelischer und körperlicher Ebene.  

Heutzutage gibt es jedoch viele Vermeidungsstrategien. Der Trauer wird oft keine Zeit und auch keine Wertschätzung zugestanden. Erwachsene versuchen oft, Kinder von der Trauer fernzuhalten mit der vermeintlich guten Absicht, sie schützen zu wollen. Auch wenn Verluste im Leben manchmal so schwer sind, dass wir sie uns nie wünschen würden, so sind sie trotzdem Teil des Lebens und wir können ihnen nicht ausweichen. 

Deshalb ist es wichtig, das Gefühl von Trauer zuzulassen und anzunehmen. Nur so kann man die Trauer verarbeiten und wieder neue Lebenskraft geschenkt bekommen.

Was passiert, wenn wir Trauer vermeiden?

Viele sind der Meinung, dass sie die schmerzhafte Situation irgendwann vergessen werden, wenn sie sich nicht so viel damit auseinandersetzen. Ungelebte Trauer macht Abschiede allerdings nicht ungeschehen oder vergessen, sondern es erfordert viel Energie, dieses unverarbeitete Gefühl nicht zuzulassen und im Verborgenen zu halten. Gerade diese Energie fehlt einem Menschen, um nach Verlust und Abschied in neue, veränderte Lebensumstände hineinzuwachsen.

Darüber hinaus kann das Vermeiden von Trauer in eine dauerhafte Depression und Melancholie, vielleicht auch in Arbeits-, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit und/oder sogar zu einer körperlichen Erkrankung führen. Bei Menschen mit geistiger Behinderung äußert sich ungelebte Trauer oft auch durch Verhaltensauffälligkeiten.

Wenn man Kinder von Verlust, Abschied und Trauer fernhalten will, bedeutet das, sie vom Leben abzuschneiden. Abschiede sind Teil des menschlichen Reifeprozesses und sollten deshalb wahrgenommen, thematisiert und verarbeitet werden.

Wenn Eltern eines Kindes mit Behinderung trauern

Mit jedem Kind sind Wünsche, Hoffnungen und Träume seiner Eltern und seiner Familie verbunden, die sehr oft im Namen des Kindes ihren Ausdruck finden. Aber was wird aus den Wünschen, Träumen und Hoffnungen, wenn ein Kind eine Behinderung hat und seine Möglichkeiten wesentlich eingeschränkt sind? Ein Kind, das auf einmal all die Erwartungen, die man hatte, noch nicht oder vielleicht niemals erfüllen kann?  

Eltern beschäftigen oft viele Fragen: Wie sieht die Zukunft für und mit dem Kind aus? Wird es je selbständig werden oder wird es immer auf Unterstützung und Pflege angewiesen sein? Wird das Leben immer von Schmerzen begleitet sein? Wird es Freude und wahres Glück erleben? 

Sicher liegt für viele betroffene Eltern eine große Ungewissheit über dem Leben eines Kindes mit Behinderung. Es fällt schwer, die Behinderung eines Kindes zu akzeptieren und anzunehmen. Die Annahme ist ein schmerzhafter Weg, ungeachtet welche Beeinträchtigung die Behinderung mit sich bringt. Von insgeheimen Wünschen, Hoffnungen und Vorstellungen muss Abschied genommen werden. Dabei kann eine Behinderung verschiedene Ursachen haben. Auch Krankheiten und Unfälle können dafür ursächlich sein. Immer ist es ein von Schmerz und Trauer begleiteter Abschied vom Bisherigen.

Es ist wichtig, dass Du dir deine Trauer und vielleicht auch Enttäuschung zugestehst und deiner Trauer Raum gibst, statt in einen Aktionismus zu verfallen. Suche dir Hilfe, sprich über deine Sorgen, Gedanken und Zweifel und lasse dir Zeit!

Weitere Informationen über die Trauerprozesse von Eltern eines Kindes mit Behinderung findest Du in diesem Dokument (PDF-Download) der Seite trauer-wege-leben.de.

Wenn Menschen mit geistiger Behinderung selbst trauern

Im Leben von Menschen mit einer geistigen Behinderung kommt es häufig zu Wendepunkten, Trennungs- und Krisensituationen. Auch Verlustereignisse oder Umbrüche, wie beispielsweise ein Wechsel von Bezugspersonen, sind keine Seltenheit. Allerdings wird Menschen mit Behinderung bis heute das Recht und die Fähigkeit zur Trauer oft – bewusst oder unbewusst – abgestritten.

Wenn Kinder nicht mehr zu hause wohnen, kam es in der Vergangenheit immer wieder vor, dass sie nicht oder erst spät über den Tod von nahen Angehörigen informiert wurden. Dies hatte zur Folge, dass sie bei Beerdigungen nicht einbezogen waren. Auch wurde ihnen unterstellt, dass der Vorgang des Sterbens für sie nicht begreiflich wäre oder dass die Trauer sie in ihrer psychischen Belastbarkeit überfordern würde. In dieser sicher fürsorglich gedachten Absicht wurde versucht, sie von den Unwägbarkeiten des Lebens fern zu halten.

Es besteht jedoch grundsätzlich kein Unterschied im Trauererleben von Menschen mit und ohne Behinderung. Wenn die Trauer im Leben von Menschen mit geistiger Behinderung keinen Raum hat, besteht die Gefahr, dass sie mit ihren Emotionen allein gelassen werden, verhaltensauffällig werden und auf diese Weise ihrem Schmerz Ausdruck verleihen. Jede Trauer, sei sie groß oder auch nur klein, braucht Beachtung.

Sie braucht Raum im Alltag, sie braucht Rituale des Abschieds und der Versöhnung mit der neuen Situation. Auch bei Menschen mit geistiger Behinderung, die nur wenig oder überhaupt nicht sprechen können, ist es wichtig die Trauer zu respektieren und ihr Raum zu geben. Es muss nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die betroffene Person ihren Gefühlen auch ohne Worte Ausdruck verleihen kann.

Konkrete Tipps zur Begleitung eines Kindes mit Behinderung in einem Trauerprozess

Informieren

Auch Kinder, die nicht oder nur wenig sprechen können, erleben Trauer und haben eine feine Wahrnehmung für alles, was um sie herum geschieht. Informiere dein Kind über eine schwere Krankheit oder den Tod eines Angehörigen. Viele wollen wissen, wohin eine verstorbene Person kommt. Nimm dir Zeit die Fragen der Kinder ernst zu nehmen und ehrlich zu beantworten.

Abschied nehmen

Gib den Kindern die Möglichkeit von der sterbenden Person Abschied zu nehmen. Besuche - wenn möglich - die sterbende Person mit deinem Kind und nimm das Kind mit zur Beerdigung. Kinder können zum Beispiel als Ausdruck des Abschiednehmens ein selbstgemaltes Bild in den Sarg legen.

 

Trauer zum Ausdruck bringen

Lasse Trauer zu und verbirg als Erwachsener deine eigenen Gefühle nicht vor deinen Kindern. Kreative Möglichkeiten, wie beispielsweise Musik oder Malen, helfen den Kindern ihren Gefühlen auch ohne Worte Ausdruck zu geben.

Erinnern

Oft hilft es, sich an schöne Momente mit dem Verstorbenen zu erinnern, ein Lied für die Person zu singen, an dem Gedenktag eine Kerze anzuzünden oder das Grab gemeinsam zu besuchen. Der Trauerprozess dauert bei jedem Menschen unterschiedlich lang und es sollte okay sein, wenn an manchen Tagen erneut Trauer über den Abschied hochkommt.

Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
Bildquellen
  • https://stock.adobe.com/de/images/feder-auf-wasser-abschied/98109195
  • https://de.123rf.com/lizenzfreie-bilder/trauriger_junge.html?&sti=mbpudwrbgq6wnyp7ta|&mediapopup=44124476