Diagnose Aphasie bei Kindern - und nun?

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Diagnose Aphasie bei Kindern - und nun?

Stand: 07.03.2025

Vielleicht bist Du hier gelandet, weil dein Kind die Diagnose Aphasie erhalten hat. Vielleicht suchst Du auch einfach nach Informationen zu diesem Thema. Im Folgenden erhältst Du einen ersten Überblick zur Diagnose Aphasie und bekommst einige hilfreiche Informationen. Außerdem bekommst Du ein paar Tipps, wie Du dein Kind unterstützen kannst. Es gibt Merkmale die häufiger bei einer Diagnose auftreten, Du solltest jedoch immer beachten, dass jedes Kind unterschiedlich ist.

Bildquelle: © Oksana Kusmina / 123RF.com 

Falls es noch nicht lange her ist, dass Du diese Diagnose für dein Kind erhalten hast, empfehlen wir dir zu Beginn den Fachbeitrag “Dein Kind hat eine Behinderung? Erste Informationen und Anlaufstellen.” zu lesen oder unser Video "Eine Diagnose - vom Suchen und Finden." auf YouTube anzuschauen. In diesem bekommst Du Informationen und Hinweise zu den ersten Schritten nach einer Diagnosemitteilung. 

Was ist Aphasie?  

Aphasie bei Kindern und Jugendlichen bedeutet einen teilweise, aber manchmal auch vollständigen Verlust von bereits erworbenen sprachlichen Fähigkeiten in Folge einer Schädigung des Gehirns (zum Beispiel durch ein Schädelhirntrauma, entzündliche Erkrankungen, einen Schlaganfall oder Unfälle).

Eine Aphasie ist also eine sogenannte erworbene Sprachbehinderung. Diese kann in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. 
Konkret heißt das: Sprachfunktionen, die bereits vorhanden waren werden abgebaut oder gehen verloren.

Das unterscheidet die Aphasie von Sprachentwicklungsstörungen. Kindliche Aphasien treten erst nach beziehungsweise während eines zunächst normal verlaufenden Spracherwerbs ein und sind die Folge eines klar umschriebenen Ereignisses, wie einem Unfall.

Jährlich sind in Deutschland etwa 3.000 Kinder und Jugendliche von Aphasie betroffen. Man geht aber aufgrund von nicht erkannten Fällen von einer weit höheren Anzahl an Betroffenen aus. Häufig handelt es sich bei den kindlichen Aphasien um ein nicht erkanntes und wenig berücksichtigtes Phänomen.

Was sind Merkmale einer Aphasie?

Die einzelnen Fälle von Aphasie bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich sehr stark voneinander, weshalb einheitliche Aussagen über das Erscheinungsbild der Aphasie bei Kindern schwierig zu treffen sind.

Es gibt jedoch einige Merkmale, die häufig bei Kindern mit Aphasie erkennbar sind:

  • Sprachlicher Bereich
    Aphasie im Kindes- und Jugendalter kann eine zeitliche Beeinträchtigung der Sprachentwicklung bedeuten. Sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten können auch gar nicht vorhanden sein. Meist kann Sprache nur mit Mühe erlernt werden. Das Kind bleibt in der Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt und kann die Sprache nicht auf dem Niveau einer Muttersprache erlernen. Besonders die Schriftsprache ist vielfach und anhaltend betroffen. Häufig sind die Schreib- und Lesefähigkeit weit mehr beeinträchtigt als die gesprochene Sprache.
     
  • Kognitiver Bereich
    Eine Intelligenzminderung liegt bei einer Aphasie nicht vor. Aufgrund der erworbenen Hirnschädigung sind neben der Aphasie jedoch häufig Begleitsymptome wie Halbseitenlähmungen möglich. Auch Epilepsien und Schluckstörungen (Dysphagien) können auftreten. Ist das Frontalhirn mit betroffen, kann es zu Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen kommen. Im schulischen Kontext werden besonders Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen und in manchen Fällen auch Hyperaktivität beobachtet.
     
  • Körperlicher Bereich
    Oft treten visuelle und akustische Wahrnehmungsstörungen, Störungen in der Händigkeitsentwicklung (ob die linke oder rechte Hand bevorzugt benutzt wird) und Störungen der Auge-Hand-Koordination auf.
     
  • Psychosozialer Bereich
    Gerade im psychosozialen Bereich kann die Aphasie Auswirkungen für das Kind und die Angehörigen haben. Wenn die Sprache nicht so funktioniert, wie es das Kind eigentlich gerne möchte, kann das sehr frustrierend sein. Manchmal haben die Freunde dann vielleicht auch nicht so viel Verständnis und Geduld und ziehen sich langsam zurück. Das macht das Kind verständlicherweise sehr traurig und wütend. Viele Kinder werden deshalb als impulsiv oder ängstlich beschrieben. Umso wichtiger ist es, dem Kind spezielle Möglichkeiten zu geben, sich auszudrücken und ihm das Gefühl zu vermitteln angenommen und geliebt zu sein.

Ist Aphasie bei Kindern heilbar?  

In Bezug auf die Genesung und die sprachlichen Fähigkeiten von Aphasien bei Kindern gilt, dass Prognose und Verlauf im Einzelfall sehr variieren. Im Zusammenhang mit der Genesung sind die Hauptfaktoren die Art der Schädigung und das Alter des Kindes zu Beginn der Beeinträchtigung. Trotz vieler Studien sind die langfristigen Entwicklungen von kindlichen Aphasien eher unklar.
 
Jede Aphasie ist anders, daher muss individuell auf jedes Kind eingegangen werden.

Wie läuft die Therapie ab?  

Bevor mit einer Therapie begonnen werden kann, sollte eine eine umfangreiche Diagnostik durchgeführt werden. Dadurch wird festgestellt in welchen Bereichen das Kind am meisten Unterstützung benötigt. Im Rahmen einer Diagnose soll festgestellt werden, über welche sprachlichen Fähigkeiten das Kind derzeit verfügt und auf welchem sprachlichen Niveau es vor der Beeinträchtigung war. Für die Diagnoseerstellung helfen Informationen aus Schulzeugnissen, Elternfragebögen, Befunde und Informationen aus vorherigen Einrichtungen sowie Aussagen von Angehörigen.

Es werden auch die aktuellen Kommunikationsbedürfnisse und die Aufmerksamkeit, Gedächtnis- und Wahrnehmungsfunktionen des Kindes erfasst. Für jede Therapie ist es zudem sehr wichtig zu wissen, wo die Stärken deines Kindes liegen und was ihm Freude bereitet, um geeignete Ansatzpunkte und Methoden für eine gelingende Therapie finden zu können. Wurde eine Diagnose erstellt kann mit der gezielten Therapie begonnen werden. Diese hat immer das Ziel, die Kommunikation zu verbessern.

Wesentliche Therapieaufgabe ist die Wiederherstellung der sprachlichen Fähigkeiten, die das Kind vor der Schädigung hatte. Als Anhaltspunkt gilt das 8. Lebensjahr als die Zeit, in der die Sprachentwicklung in der Regel abgeschlossen ist. Dennoch sind in diesem Alter sprachbezogene Fähigkeiten wie Lesen und Schreiben noch recht frisch erworben und werden oftmals nicht sicher beherrscht. Der Erwerb weiterer sprachlicher Fähigkeiten, wie beispielsweise Redewendungen, kann bis zu einem Alter von 12-14 Jahren andauern.

Somit steht neben der Wiedergewinnung bereits vorhandener Fähigkeiten bei Kindern auch die Stimulierung der Fähigkeit zum Neu-Lernen im Zentrum der Rehabilitation.

Viele neurologische Rehabilitationseinrichtungen bieten eigens auf Aphasie im Kindes- und Jugendalter spezialisierte Therapieprogramme an. Eine Liste der neurologischen Rehabilitationseinrichtungen in Bayern findest Du auf der Seite neuro-index.de. Die Therapieeinheiten können dabei entweder in Einzel- oder in Gruppensitzungen erfolgen und werden meist stationär über mehrere Wochen durchgeführt.   

Ist die stationäre Rehabilitation abgeschlossen und findet die ambulante Therapie durch Logopäden oder Sprachtherapeuten in Wohnortnähe statt, sollte darauf geachtet werden,  dass die Therapeuten über Erfahrungen mit der Therapie von Kindern und Jugendlichen mit Aphasie verfügen. Diese Erfahrung ist nicht immer gewährleistet, da das Störungsbild noch relativ unbekannt ist. Wichtig wäre dann bei der Suche nach einem geeigneten Logopäden darauf zu achten, dass  dieser zumindest sowohl im Bereich der Therapie kindlicher Sprachentwicklungsstörungen als auch bei der Aphasietherapie mit Erwachsenen über einschlägige Erfahrungen verfügt. 

Wie können Eltern unterstützen?

  • Aphasie, mit seinen vielfältigen Begleitsymptomen, hat in der Regel immer eine Veränderung des gesamten Familienlebens zur Folge. Als Elternteil solltest Du deine Gefühle durch die neue Situation akzeptieren und nicht unterdrücken. Lass auch negative Gefühle zu. Es ist selbstverständlich, dass man Fortschritte sehen möchte. Das erzeugt Druck sowohl bei dir als Elternteil als auch bei deinem Kind. Angst und Aggression können bei deinem Kind, aber auch bei dir auftreten. Redet offen und rücksichtsvoll darüber.
    Genehmige dir Pausen, auch wenn es scheint, dass dafür keine Zeit ist. Du beziehungsweise die Familie ist der Angelpunkt, an dem sich dein Kind orientiert. Kinder spüren Veränderungen und Anspannungen, die sich auch negativ auf die Therapie auswirken können.
     
  • Lasse dich nicht zu schnell entmutigen, wenn es Rückschritte gibt oder die Aphasie lange bestehen bleibt. Je nach Tagesform schwanken die Fähigkeiten bei Kindern mit Aphasie. Selbst bei einer chronischen Ausprägung sind bei entsprechender Förderung Verbesserungen möglich. Eltern können fördern, indem sie spielerisches Handeln mit dem Kind sprachlich begleiten. Auch wenn dein Kind selbst nicht viel spricht, solltest Du möglichst viel mit ihm kommunizieren. Achte jedoch darauf, dass es dabei nicht zu einer Überanstrengung deines Kindes kommt.
    Ganz wichtig ist auch, dass Du dir und anderen klar machst, dass dein Kind sehr viel versteht, auch wenn es sich nicht im gleichen Maße sprachlich ausdrücken kann. Aphasie beeinträchtigt in erster Linie nicht die kognitiven Fähigkeiten. Vorausgesetzt, es liegt keine Sprachverständnisstörung vor.
     
  • Im Alltag und in der Schule sollte sowohl eine Über- als auch eine Unterforderung vermieden werden, da das zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Lass dich durch das ungewohnte Verhalten deines Kindes nicht entmutigen und suche gemeinsam mit deinem Kind und der Unterstützung von Fachleuten nach dem richtigen Förderlevel. Wenn Kindern alternative Kommunikationswege (wie Unterstützte Kommunikation) ermöglicht werden oder angeboten werden, gehen auch die Verhaltensauffälligkeiten zurück.
     
  • Suche nach der bestmöglichen Schule für dein Kind. Das kann eine Regelschule oder eine Förderschule sein. Die Schulentscheidung sollte individuell mit der Unterstützung von Fachleuten getroffen werden und sich an den Fähigkeiten und Bedürfnissen deines Kindes orientieren.
Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
  • k.A. (2007). Hilfen für Kinder mit Aphasie. Forum ZNS, k.A. (2), S.1f
  • k.A. (2007). Hilfen für Kinder mit Aphasie. Das Info-Magazin Ihrer Krankenkasse: Sprachlos, k.A. (4), S.16-18.
  • k.A. (2007). Modellprojekt „Beschulung aphasischer Kinder“. Neuronal - das Journal für den Neurologischen Patienten, k.A. (3), S.24-25.
  • Loew, M. & Böhringer, K. (2002). Kindliche Aphasie. Beiträge zur neurologischen Rehabilitation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Schriftenreihe Jugendwerk, 18.
  • Rother, A. (2005). Kindliche Aphasien. LOGOS Interdisziplinär, k.A. (2), S.90-92.
  • Spencer, P.G. (2006). Kindliche Aphasie - Hintergründe und Praxis. Not, k.A. (3), S.24-26.
  • https://aphasiker.de/aphasie/
Bildquellen
  • https://de.123rf.com/photo_91289281_speech-therapy-exercises.html?vti=lcalgq0v367kdt3466-1-64
  • https://de.123rf.com/photo_40330428_boy-zeigt-tag-aktivit%C3%A4ten-karten.html