Diagnose Epilepsie - und nun?

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Diagnose Epilepsie - und nun?

Stand: 14.02.2023

Vielleicht bist Du hier gelandet, weil dein Kind die Diagnose Epilepsie erhalten hat. Vielleicht suchst Du auch einfach nach Informationen zu diesem Thema. Im Folgenden erhältst Du einen ersten Überblick und bekommst einige hilfreiche Informationen. Auch wenn jedes Kind ganz unterschiedlich ist, gibt es Merkmale, die bei der Diagnose häufig auftreten. Außerdem bekommst Du ein paar Tipps, wie Du dein Kind unterstützen kannst.


Bildquelle: © Ineta Alvarado/ 123RF.com 

 

Falls es noch nicht lange her ist, dass Du diese Diagnose für dein Kind erhalten hast, empfehlen wir dir zu Beginn den Fachbeitrag “Diagnose Erstmitteilung - vom Suchen und Finden” zu lesen oder unser Video dazu auf YouTube anzusehen. In diesen bekommst Du wichtige Informationen und Hinweise zu den ersten Schritten nach einer Diagnosemitteilung.

Was ist Epilepsie?  

Das Wort Epilepsie kommt aus dem Griechischen und bedeutet in etwa "packen, jemand heftig ergreifen". Sie ist die häufigste chronische Erkrankung des Nervensystems, von der etwa 1 % der Bevölkerung betroffen ist. Man muss zwischen der Epilepsie (wiederholte epileptische Anfälle ohne erkennbaren Auslöser) und einem epileptischen Anfall (plötzlich auftretender, relativ kurzer epileptischer Anfall) unterscheiden. 

Bei Epilepsie und einer geistigen Behinderung ist es wichtig noch weitere Dinge zu beachten: Oft ist es schwierig die betroffene Person auf die richtige Medikation einzustellen, da zum einen bei Menschen mit geistiger Behinderung ein erhöhtes Risiko für Neben-/Wechselwirkungen besteht und zum anderen sich der Betroffene oft nicht verbal äußern kann. Dadurch kann der Betroffene nicht unmittelbar mitteilen, wie er das Medikament verträgt. Da man hierdurch häufig auf Fremdbeobachtung angewiesen ist, wird die Medikamenteneinstellung oft während eines stationären Aufenthalts durchgeführt, um eine enge Betreuung sicherzustellen. 

Was passiert bei einem epileptischen Anfall?  

Man kann sich einen epileptischen Anfall als ein “Gewitter, das durch den Kopf zieht” oder auch als plötzlichen “Kurzschluss der Nervenzelle” vorstellen. Das menschliche Gehirn besteht aus vielen Millionen miteinander verbundener Nervenzellen, die untereinander nach einem fein ausbalancierten System funktionieren. Wird dieses System gestört, kommt es zu einem epileptischen Anfall. Dieses „Stören“ kommt dadurch zustande, dass sich große Nervenzellverbände gleichzeitig viel schneller und intensiver entladen, als dies normalerweise der Fall ist. “Befehle” werden dadurch unkontrolliert an den Körper weitergegeben.

In diesem Video der Diakonie Kork auf YouTube wird dir noch einmal auf anschauliche Art und Weise erklärt, was bei einem epileptischen Anfall passiert.

Welche Arten von Epilepsie gibt es?  

Epileptische Anfälle können verschieden aussehen. Wie ein Anfall abläuft, hängt davon ab, aus welcher Hirnregion er kommt und ob er sich über das ganze Gehirn ausbreitet oder auf einen kleinen Teil des Gehirns beschränkt bleibt.

Ist das ganze Gehirn vom Anfall betroffen, spricht man von einem sogenannten tonisch-klonischen Anfall (auch als "Grand mal" bezeichnet). Der Anfall beginnt damit, dass sich die Gliedmaßen des Betroffenen plötzlich anspannen, er dann oft stürzt und bewusstlos ist. Danach fängt der Körper des Betroffenen oft an rhythmisch zu zucken. Manchmal tritt auch Speichel (der auch blutig sein kann) aus dem Mund aus. Für viele Außenstehende sind diese Momente oft sehr erschreckend und angsteinflößend, da sie nicht wissen, was gerade passiert oder wie sie handeln sollen.  

Betrifft der Anfall nur eine bestimmte Region im Gehirn, spricht man von einem sogenannten komplex-fokalen Anfall. Betroffene sind in ihrem Bewusstsein gestört, d. h. sie können auf Ansprache nicht angemessen reagieren, verhalten sich dabei aber sehr ruhig und unauffällig (auch Absence genannt). Manchmal führt dieser fokale Anfall jedoch auch dazu, dass die Betroffenen unruhig umherlaufen oder scheinbar "sinnlose" Handlungen ausführen (z. B. aus einer leeren Tasse trinken oder ein Buch immer auf- und zuklappen). Für Außenstehende ist diese Art eines epileptischen Anfalls oft gar nicht als solcher erkennbar.  

Viele Betroffene berichten davon, dass sie manchmal bereits ein mulmiges Gefühl haben und sie bereits ahnen, dass es gleich zu einem epileptischen Anfall kommen wird (wird auch als Aura bezeichnet). Dieses Gefühl kann sich sehr unterschiedlich zeigen, z. B. durch ein aufsteigendes Gefühl aus dem Bauchraum oder das Riechen, Schmecken oder Hören von Dingen, die nicht vorhanden sind.  

Ist der epileptische Anfall vorbei – was in der Regel einige Minuten dauert – kehrt das Gehirn wieder zu seiner ursprünglichen Funktionsweise zurück.

Was soll ich tun, wenn ich einen epileptischen Anfall beobachte?

Ganz wichtig ist, dass Du Ruhe bewahrst! Lass dich nicht abschrecken und sei dir bewusst, dass der Betroffene in der Zeit seinen Körper nicht kontrollieren kann und dich oft nicht wahrnimmt. Der Anfall direkt kann nicht verhindert werden. Man muss einfach abwarten, bis er wieder vorbei ist und der Betroffene wieder bei Bewusstsein ist. 

Sorge dafür, dass sich keine Gegenstände im Umfeld vom Betroffenen befinden, an denen er sich verletzen könnte und lege gegebenenfalls. eine weiche Unterlage unter den Kopf. Wichtig ist, dass Du ihn während des Anfalls nicht festhältst oder Gegenstände zwischen die Zähne schiebst! Meistens dauert ein Anfall ungefähr 2-3 Minuten. 

Rufe einen Arzt, wenn der Betroffene länger als 5 Minuten krampft und dabei blau anläuft, wenn sich ein großer Anfall im Abstand von weniger als einer Stunde wiederholt oder die Person bei einem kleineren Anfall länger als 30 Minuten auf Orientierungsfragen nicht antworten kann.

Ansonsten solltest Du am besten warten, bis der Betroffene wieder ganz bei Bewusstsein ist (das kann einige Zeit dauern!), um ihm danach zu helfen sich wieder zu orientieren und ihn zu fragen, ob er durch den Sturz irgendwelche Schmerzen hat. Der Betroffene ist nach einem Anfall meistens sehr müde und will schlafen. Hilf ihm dabei möglichst schnell nach Hause zu kommen und erzähle ihm wie genau der Anfall verlaufen ist, damit der Betroffene sich die Details notieren kann. Falls der Betroffene zu erschöpft ist um sich zu bewegen, dann bringe ihn in die stabile Seitenlage. 

Was sind Auslöser von Epilepsie?  

Epilepsie ist an sich keine vererbbare Krankheit. Es kann lediglich eine erhöhte Bereitschaft zu epileptischen Anfällen vererbt werden. Generell kann aber jeder Mensch epileptische Anfälle bekommen oder eine Epilepsie ausbilden. Oft treten Epilepsien als Folge von Gehirnschäden, wie z. B. Entzündungen, Hirnblutungen, Hirnverletzungen nach Unfall, Tumoren oder Schlaganfällen auf. Durch diese Faktoren kann es dazu kommen, dass sich um die betroffene Region im Gehirn ein epileptischer Herd bildet. Durch diesen wird das Risiko, dass ein epileptischer Anfall ausgelöst wird, erhöht. 

Wie wird Epilepsie diagnostiziert?

Nach einem ersten Anfall ist es sinnvoll, einen Neurologen aufzusuchen. Dadurch kann geklärt werden, ob es sich um einen einmaligen Anfall handelt oder ob es bereits mehrere, nicht erkannte Anfälle waren. Daraufhin kann entschieden werden, ob eine Behandlung begonnen werden sollte, um weitere Anfälle zu vermeiden. Der Arzt wird dich vermutlich fragen, wie der Betroffene den Anfall erlebt hat und ob ihm ein bestimmtes Gefühl vorausging. 

Außerdem ist es wichtig die Anfälle möglichst detailliert aufzuschreiben, damit der Arzt sich ein gutes Bild über den Ablauf machen kann. Danach folgen meist medizinische Untersuchungen des Gehirns, z. B. durch eine Elektroenzephalografie (EEG) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT). Mit dem EEG wird die Gehirnaktivität gemessen und mit einem MRT werden detaillierte Schnittbilder des Gehirns erzeugt. Ausgehend von den Beobachtungen und Untersuchungen, wird der Arzt dann feststellen ob und wenn ja wie die Epilepsie behandelt werden sollte.  

Kann man Epilepsie behandeln? 

Am häufigsten ist die Behandlung mit Medikamenten, die das Gehirn vor epileptischer Aktivität abschirmen. Da die Anfälle jedoch unvorhersehbar auftreten, müssen Medikamente regelmäßig (manchmal lebenslang) eingenommen werden. Ziel der Behandlung ist es, Anfälle zu verhindern und gleichzeitig keine nennenswerten Beeinträchtigungen durch Nebenwirkungen zu erzeugen. 

Auch wenn man weiß, welche Medikamente bei welcher Epilepsieform am besten wirken, kann nicht garantiert werden, dass der Betroffene durch die Medikamente anfallsfrei wird. Oft dauert es ziemlich lange, bis die passenden Medikamente für den Betroffenen gefunden wurden. Es kann jedoch gesagt werden, dass bei 70 - 80 % der Betroffenen eine medikamentöse Behandlung wirksam ist. Es ist wichtig, dass der Betroffene in dieser Zeit intensiv durch einen fachkundigen Arzt betreut wird.  

Wenn verschiedene Medikamente keine Besserung bringen, gibt es auch die Möglichkeit eine operative Behandlung durchzuführen oder ein kleines elektrisches Gerät (Vagus-Nerv-Stimulator) unter die Haut einzusetzen. Frage am besten deinen Arzt, wie genau diese Verfahren funktionieren und welche Vor-/Nachteile es gibt. 

Generell ist es wichtig, dass die Betroffenen ihre Lebensführungen an die Erkrankung anpassen, beispielsweise:  

  • Klarer, strukturierter Tagesablauf
  • Geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Vermeidung übermäßigen Alkoholgenusses
  • Vermeidung außergewöhnlicher psychischer Belastungen
  • Gegebenenfalls vermeiden von grellem oder flackerndem Licht (z. B. bei Konzerten oder Disko)
  • Bei manchen hat auch die sogenannte "ketogene Diät" Erfolge gebracht. Mehr zur „ketogenen Diät“ kannst Du im Flyer der Deutschen Epilepsievereinigung (PDF-Download) nachlesen.
Weiterführende Informationen

Beratung & Hilfe

 Weiterführende Literatur  

  • Epilepsie. 1000 Fragen, sie sie sich nie zu stellen wagten (Günter Krämer, Anja D. Zeipelt)
     
  • Epilepsie: Die Krankheit erkennen, verstehen und gut damit leben (Günter Krämer)
     
  • Panthertage. Mein Leben mit Epilepsie (Biografie von Sarah Elise Bischof)
Quellenverzeichnis
Bildquellen
  • https://de.123rf.com/photo_103686195_girl-with-eeg-electrodes-attached-to-her-head-for-medical-test.html