Verfahrenslotse - was ist das?

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Verfahrenslotse - was ist das?

Stand: 14.02.2024

Im Zuge des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes werden die Leistungen für junge Menschen mit Behinderung in die Kinder- und Jugendhilfe überführt. Innerhalb der nach und nach erfolgenden Umstrukturierung gibt es seit dem Jahr 2024 sogenannte Verfahrenslotsen, die junge Menschen mit Behinderung und ihre Familien unterstützen. Sie begleiten außerdem den Prozess der Umstrukturierung. Was genau ein Verfahrenslotse ist, welche Aufgaben Verfahrenslotsen haben und weitere wichtige Informationen zu diesem Thema erhältst Du in diesem Fachbeitrag.

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Was sind Verfahrenslotsen?

Durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) werden die Zuständigkeiten und die Regelungen zur Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit und ohne Behinderung in der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) zusammengeführt. Seit dem 01.01.2024 wurde mit der zweiten Stufe des KJSG der Verfahrenslotse im § 10b SGB VIII eingeführt. Der Verfahrenslotse stellt die Schnittstelle zwischen Leistungsberechtigten und Leistungserbringer dar und soll beide im Sinne des KJSG unterstützen. Junge Menschen die wegen einer (drohenden) Behinderung einen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, sowie deren Mütter, Väter, Personensorge- und Erziehungsberechtigte, wie beispielsweise Pflegeeltern, werden vom Verfahrenslotsen bei der Verfolgung und Wahrnehmung der entsprechenden Leistungen unterstützt. Konkret bedeutet das: Verfahrenslotsen sollen jungen Menschen mit Behinderung helfen, ihr Recht auf Eingliederungshilfe durchzusetzen. Den Jugendämtern helfen die Verfahrenslotsen strukturell bei der Umsetzung. Das betrifft insbesondere Zusammenführung von Leistungen der Eingliederungshilfe in die Zuständigkeit der Jugendämter.

Was sind die Aufgaben der Verfahrenslotsen?

Im Grunde hat der Verfahrenslotse zwei unterschiedliche Aufgaben: 

Er soll junge Menschen mit einem Anspruch oder möglichen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII sowie SGB IX § 99) dabei unterstützen diesen Anspruch durchzusetzen. Die Angehörigen, also Eltern und Familie werden dabei auch vom Verfahrenslotsen zu Leistungen der Eingliederungshilfe beraten und bei der Antragstellung unterstützt (§ 10b Abs. 1 SGB VIII). Das ist besonders wichtig, da das Sozialleistungssystem äußerst komplex ist. Auf welche Leistungen nun ein Anspruch besteht und wer für die Leistungserbringung zuständig ist, ist nicht leicht zu erkennen. Der Verfahrenslotse hilft an dieser Stelle den anspruchsberechtigten jungen Menschen sich im Sozialsystem zurechtzufinden und berät sie. Der Verfahrenslotse kann darüber hinaus auch mit den Leistungserbringern in Kontakt treten indem er beispielsweise den Anspruchsberechtigten bei Gesprächen mit ihnen unterstützt. Das darf er jedoch nur auf Wunsch des Anspruchsberechtigten. Wenn der Anspruchsberechtigte beispielsweise wünscht, dass der Verfahrenslotse an einem Gespräch mit einem Rehabilitationsträger teilnimmt, dann wird ihn dieser dort punktuell unterstützen.  

Die zweite Aufgabe des Verfahrenslotsen ist es, den örtlichen Träger der Jugendhilfe bei der Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen in dessen Zuständigkeit zu unterstützen. Er hilft dem Träger der Jugendhilfe sozusagen bei der Umsetzung der neuen Regelung. Darüber hinaus ist er verpflichtet halbjährlich Bericht über seine Arbeit gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. In diesem Bericht können beispielsweise die Erfahrungen der Zusammenarbeit mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, wie beispielsweise der Rentenversicherung, die Anzahl der stattgefundenen Beratungen oder häufig aufkommende Anliegen der Familien stehen. Obwohl der Verfahrenslotse an den örtlichen Träger der Jugendhilfe angegliedert ist, soll er vorrangig ausgerichtet nach den Rechten und Interessen des Menschen mit Behinderung handeln, auch wenn dadurch ein Konfliktfall mit den öffentlichen Einrichtungen entsteht. Darüber hinaus muss der Verfahrenslotse mit den gleichen Stellen wie die Jugendhilfe zusammenarbeiten (§ 81 SGB VIII).

Wann besteht ein Anspruch auf einen Verfahrenslotsen?

Um Unterstützung durch einen Verfahrenslotsen zu erhalten, müssen grundsätzlich zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • die (möglicherweise) anspruchsberechtigte Person hat das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet
     
  • es besteht ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe (es genügt hier bereits, wenn ein Anspruch vermutet wird)

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können sowohl der Mensch mit Behinderung als auch die Eltern oder Personensorge- und Erziehungsberechtigte Unterstützung durch einen Verfahrenslotsen erhalten. Die Begleitung des Verfahrenslotsen kann dabei grundsätzlich auch über die erfolgreiche Beantragung der Leistung hinaus andauern. Das geht jedoch nur solange der Anspruchsberechtigte unter 27 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII).

Wer übernimmt die Kosten?

Für die Inanspruchnahme der Unterstützung eines Verfahrenslotsen entstehen für die anspruchsberechtigte Person und ihre Angehörigen keine Kosten. Die Kosten werden vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe getragen.

Was bedeutet das für andere Beratungsangebote?

Obwohl der Verfahrenslotse beratend tätig ist, bedeutet das nicht, dass er dadurch die einzige Beratungsstelle für Anspruchsberechtigte ist. Die Einführung des Verfahrenslotsen entbindet z. B. Sozialleistungsträger nicht von ihrer gesetzlichen Beratungs- und Unterstützungspflicht. Auch die Beratung der Kinder- und Jugendhilfe (§ 10a SGB VIII) und die Beratung durch den Verfahrenslotsen (§ 10b Abs. 1 SGB VIII) erfolgen unabhängig voneinander. Wenn es absehbar ist, dass der junge Mensch Eingliederungshilfeleistungen erhält oder erhalten kann, kann auf Wunsch des jungen Menschen an die Beratung, die Unterstützung durch einen Verfahrenslotse angeknüpft werden. Der Verfahrenslotse soll mit den Beratungsstellen vor Ort vernetzt sein und gegebenenfalls den Ratsuchenden bei speziellen Fragen an andere Beratungsstellen weiterleiten (beispielsweise an Epilepsieberatungsstellen, Autismus-Kompetenz-Zentren, Beratungsstellen der Lebenshilfe, Beratungsstellen des Blindenbundes, etc.)

Die Träger der Eingliederungshilfe sind weiterhin zur Beratung und Unterstützung nach § 106 SGB IX verpflichtet. Ob der Anspruchsberechtigte bei der Beratung und Unterstützung den Verfahrenslotsen oder jemand anderen als Vertrauensperson hinzuziehen möchte, ist ihm überlassen. 

Bei einem Gesamtplanverfahren darf der Anspruchsberechtigte als Vertrauensperson den Verfahrenslotsen hinzuziehen. Der Verfahrenslotse darf am Gesamtplanverfahren nicht als Vertreter für den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe teilnehmen.

Wie kann ein Verfahrenslotse in Anspruch genommen werden?

Ein Verfahrenslotse kann zu jeder Zeit  eines Antragsverfahrens (auch vor und nach eines Antragsverfahrens) in Anspruch genommen werden. Das bedeutet, wenn eine (mögliche) anspruchsberechtigte Person, Leistungen der Eingliederungshilfe beantragt oder beantragen möchte, steht ihr die Unterstützung eines Verfahrenslotsen zur Verfügung. Explizit beantragt werden muss die Unterstützung durch einen Verfahrenslotsen nicht. Es genügt hier ein Anruf oder eine E-Mail nach welcher gegebenenfalls ein erstes Beratungsgespräch vereinbart wird.

Wie lange wird es die Verfahrenslotsen geben?

Nach dem derzeitigen Stand wird es die Angebote durch Verfahrenslotsen im Zeitraum vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2027 geben, da ab dem 01.01.2028 der Transformationsprozess abgeschlossen sein wird und auch junge Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen Leistungen der Eingliederungshilfe durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erhalten werden. 
Es ist zwar geplant, dass es die Verfahrenslotsen auch nach dem 01.01.2028 weiterhin geben soll, das ist jedoch noch nicht gesetzlich festgelegt.

Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
Bildquellen