Was ist der Pflegegrad?

Pflegeversicherung

Was ist der Pflegegrad?

Stand: 26.07.2023

Der Pflegegrad ist ein wichtiger Faktor in der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen. Er bildet die Grundlage für die Einstufung in einen bestimmten Unterstützungsbedarf und ist damit maßgeblich für die Höhe der Leistungen, die von der Pflegeversicherung erbracht werden. Darüber hinaus dient der Pflegegrad als Orientierungshilfe für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, um die passende Versorgung und Unterstützung zu finden. In diesem Artikel erfährst Du, was der Pflegegrad ist, wie er festgestellt wird und wie sich der Pflegegrad bei Kindern feststellen lässt.

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Was ist ein Pflegegrad?

Es ist möglich, dass pflegebedürftige Menschen in allen oder nur in vereinzelten Lebensbereichen Unterstützung durch Andere benötigen. Der Pflegegrad legt dabei zum einen fest, in wie vielen Bereichen die pflegebedürftige Person Unterstützung benötigt und zum anderen bestimmt er die Leistungen, die in Anspruch genommen werden können. Eine Person mit einem hohen Pflegegrad erhält demnach mehr Leistungen von der Pflegekasse und benötigt mehr Unterstützung als eine Person mit einem niedrigeren Pflegegrad.

Wie wird der Pflegegrad festgestellt?

Nach Eingang des Antrages auf einen Pflegegrad bei der Pflegekasse wird sich der medizinische Dienst oder ein anderer Gutachter mit dir in Verbindung setzen, um einen Termin zur Begutachtung zu vereinbaren. Der Gutachter kommt dann zu dir nach Hause oder in die Einrichtung, in der die pflegebedürftige Person lebt (die Gutachter kommen nicht unangekündigt).

Es sollte am besten eine Vertrauensperson des Pflegebedürftigen zu diesem Termin mit anwesend sein. Auch ist es hilfreich bereits vorab z. B. in Form eines Pflegetagebuchs den Grad der Selbstständigkeit und die Probleme im Alltag festzuhalten. Ein solches Pflegetagebuch (PDF-Download) findest Du unter anderem auf der Seite des Sozialverbands Deutschland. Auch Arztberichte, Medikamente, Gutachten oder Pflegedokumentationen eines Pflegedienstes können den Gutachtern dabei helfen, den entsprechenden Pflegegrad zu bestimmen.

Anhand des neuen Begutachtungsassessments (NBA) untersucht der Gutachter dann, inwiefern Fähigkeiten und Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen beeinträchtigt sind und beurteilt so den Pflegegrad. Grundlage hierfür ist der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff nach § 14 SGB XI.  

Das Begutachtungsassessment besteht aus sechs Modulen (Bereichen). Die Beispielfragen geben dir einen Überblick, welche Aspekte das jeweilige Modul erfasst:

  • Modul 1 „Mobilität“ (körperliche Beweglichkeit): Wie gut kann sich die Person innerhalb ihrer eigenen vier Wände bewegen? Kann sie Treppen steigen?
     
  • Modul 2 „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ (Verstehen und Reden): Kann sich die Person verständigen und ihre Bedürfnisse mitteilen? Kann sie Entscheidungen treffen, Sachverhalte verstehen und Gefahren oder Risiken einschätzen? Kann sie sich räumlich orientieren?
     
  • Modul 3 „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“: Ist die Person nachts unruhig? Hat sie Ängste? Zeigt sie selbstverletzendes oder aggressives Verhalten? Werden Pflegehandlungen abgewehrt und die Pflegetätigkeit damit erschwert
     
  • Modul 4 „Selbstversorgung“: Wie gut kann sich die Person selbst waschen, sich Essen zubereiten, eine Toilette benutzten. Kann sie sich selbstständig aus- und anziehen?
     
  • Modul 5 „Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen – sowie deren Bewältigung“: Wie gut kann die Person selbstständig Medikamente einnehmen, Arztbesuche vereinbaren oder sich an eine Diät halten? Kann sie mit Hilfsmitteln umgehen (z. B. Prothesen oder Rollator)?
     
  • Modul 6 „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“: Wie gut kann die Person ihren Alltag gestalten? Kann sie selbstständig soziale Kontakte pflegen, z. B. Freunde oder einen Freizeittreff besuchen? Kann sie sich selbst beschäftigen und ihren Tagesablauf gestalten?

Der Gutachter prüft nun, wie selbstständig die Person in den jeweiligen Bereichen ist und vergibt dazu Punkte:

  • 0 = selbstständig
     
  • 1 = überwiegend selbstständig
     
  • 2 = überwiegend unselbstständig
     
  • 3 = unselbstständig

Zur Berechnung des Pflegegrades werden im Anschluss die Punkte in den einzelnen Modulen addiert. Die Summen der einzelnen Module werden dann nach gesetzlichen Vorgaben gewichtet und schließlich zu einer Gesamtpunktzahl errechnet (§ 15 Absatz 3 SGB XI). Unter diesem Link auf der Seite des GKV  findest Du eine Grafik, die dir die Gewichtung der einzelnen Bereiche veranschaulicht.

Je höher die Gesamtpunktzahl, desto höher ist die Beeinträchtigung und damit der Pflegegrad:

Pflegegrad 1 Geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte
Pflegegrad 2 Erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte
Pflegegrad 3 Schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte
Pflegegrad 4 Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte
Pflegegrad 5 Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Hinweis: unter bestimmten Voraussetzungen kann auch bei weniger als 90 Gesamtpunkten 
ein Pflegegrad 5 vorliegen (§ 15 Absatz 4 SGB XI).
ab 90 bis 100 Gesamtpunkte

Die Entscheidung des Gutachters über den Pflegegrad wird im sogenannten Pflegegutachten schriftlich festgehalten. Die pflegebedürftige Person kann dieses einfordern (§ 18 Absatz 3 Satz 9 und 12 SGB XI).

Wie wird der Pflegegrad bei Kindern festgestellt?

Bei Kindern wird der Pflegegrad anders berechnet als bei Erwachsenen. Ihr Pflegegrad wird durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt (§ 15 Absatz 6 SGB XI). Diese Begutachtung erfordert daher auch besonders geschulte Gutachter. 

Auch Kinder unter einem Jahr können einen Pflegegrad erhalten. Bei Kindern unter 18 Monaten gibt es eine andere Tabelle zur Berechnung der Pflegegrade (§ 15 Absatz 7 SGB XI). Dies liegt daran, dass kleine Kinder und Säuglinge in allen Bereichen auf die Hilfe und Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sind.

Ihr Pflegegrad ergibt sich daher aus folgenden Gesamtpunkten:

Pflegegrad 2 Erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte
Pflegegrad 3 Schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte
Pflegegrad 4 Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte
Pflegegrad 5 Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung ab 70 bis unter 100 Gesamtpunkte

Kann ich Widerspruch gegen das Gutachten einlegen?

Gegen das Pflegegutachten kann kein Widerspruch eingelegt werden, nur gegen den Bescheid der Pflegekasse, durch den der Pflegegrad mitgeteilt wird. Wenn Du dir unsicher bist, ob das Ergebnis der Pflegekasse richtig ist, dann kannst Du mit diesem Dokument des VdK (PDF-Download) oder dem Pflegegradrechner auf der Seite des Sozialverbands Deutschlands selbstständig den Pflegegrad berechnen und das Ergebnis der Pflegekasse so überprüfen. 

Auch in unserer Community berichten Eltern immer wieder von Entscheidungen, die ihrer Meinung nach nicht sachlogisch gerechtfertigt sind. Du solltest dich nicht scheuen, im Falle eines Ablehnungsbescheides z. B. in der Community bei erfahrenen Eltern nachzufragen und bei der Pflegekasse Widerspruch einzulegen.

Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
Bildquellen