Arbeit
Was ist eine Tagesförderstätte?
Stand: 16.07.2024
Aktuell ist es noch so, dass viele Menschen mit Behinderungen in Werkstätten arbeiten. Wenn es einem Menschen jedoch aufgrund einer Behinderung nicht möglich ist, in einer Werkstatt zu arbeiten oder einer anderen Arbeit nachzugehen, gibt es die Möglichkeit des Besuchs einer Tagesförderstätte. Im folgenden Fachbeitrag erfährst Du, was Tagesförderstätten sind, wie die Betreuung gestaltet ist und welche Voraussetzungen für die Aufnahme erfüllt sein müssen.
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Was ist eine Tagesförderstätte?
Eine Tagesförderstätte ist eine Einrichtung für erwachsene Menschen mit Behinderung, die ihre Schulpflicht erfüllt haben und in der Regel keine reguläre Beschäftigung ausüben können (§ 219 Abs. 3 SGB IX). Das heißt, dass sie "kein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung" erbringen können (§ 219 Abs. 2 SGB IX). Obwohl Tagesförderstätten oft an eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) angegliedert sind, erbringen diese im Gegensatz zu einer WfbM vorrangig Leistungen zur Sozialen Teilhabe und eröffnen dadurch den Besuchern einen zweiten Lebensraum.
Es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für Tagesförderstätten. Diese werden auch beispielsweise Tagesstätten oder Förder- und Betreuungsbereich (FuB) genannt.
Tagesförderstätten bieten individuelle Aktivitäten an, die auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Besucher abgestimmt sind. Die Aktivitäten unterstützen die Besucher bei der Verbesserung ihrer sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten. Im Gegensatz zu Menschen mit Behinderung in einer Werkstatt für behinderte Menschen, befinden sich die Besucher einer Tagesförderstätte nicht in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Sie sind daher nicht durch den Besuch der Einrichtung sozialversichert.
Was sind die Voraussetzungen?
Eine Tagesförderstätte kann nur von Personen besucht werden, die eine Schwerbehinderung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX haben und bei denen eine Teilhabe am Arbeitsleben nicht möglich ist.
Wie läuft die Aufnahme ab?
Es ist sinnvoll, im Vorfeld gezielt nach einem Probetermin oder Praktikum zu fragen, um die Einrichtung und das Betreuungsangebot ausführlich kennenzulernen, offene Fragen und Bedenken zu klären und um zu sehen, ob der Mensch mit Behinderung sich in der Einrichtung wohlfühlt. Auch die Betreuer und das Personal können sich so ein Bild von seinen individuellen Bedürfnissen und Interessen machen. Darüber hinaus kann die Einrichtung auch beraten und die weiteren Schritte aufzeigen, die für eine Aufnahme erledigt werden müssen.
Um eine Aufnahme in eine Tagesförderstätte zu beantragen, muss ein Antrag bei der zuständigen Stelle eingereicht werden. In Bayern ist die zuständige Stelle in der Regel das zuständige Bezirksamt oder die örtliche Agentur für Arbeit. Im Antrag müssen Informationen über die Art der Behinderung, den Unterstützungsbedarf und die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Antragstellers enthalten sein. Die zuständige Stelle prüft dann, ob die Voraussetzungen erfüllt sind und entscheidet über die Aufnahme.
Bei der Aufnahme in eine Tagesförderstätte erfolgt eine individuelle Eingliederungsplanung. Dabei werden mit dem Menschen mit Behinderung Ziele und Maßnahmen festgelegt, die dazu beitragen sollen, seine Selbstständigkeit und Eigenständigkeit zu fördern. Die Teilnahme an Aktivitäten und Projekten in der Tagesförderstätte wird dabei immer an den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten des Menschen mit Behinderung ausgerichtet.
Was sind die Ziele einer Tagesförderstätte?
Die Mitarbeiter in Tagesförderstätten achten auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung und geben ihnen die notwendige Unterstützung und Anleitung, die sie benötigen. Dabei steht immer das Ziel im Vordergrund, die Selbstständigkeit und Eigenständigkeit des Menschen mit Behinderung zu fördern. Neben einer festen Tagesstruktur wird auch das Ziel verfolgt, einen Übertritt in die WfbM zu ermöglichen.
Insgesamt bieten Tagesförderstätten für Menschen mit Schwerbehinderung eine wertvolle Unterstützung für die Betroffenen und ihre Familien. Sie ermöglichen den Menschen mit Behinderung eine sinnvolle Beschäftigung und fördern ihre sozialen und kognitiven Fähigkeiten. Gleichzeitig bieten sie den Eltern eine wichtige Entlastung und Unterstützung bei der Betreuung ihres Kindes. Sie können den Eltern eine Auszeit von der Betreuung und Pflege geben und ihnen die Möglichkeit bieten, sich um andere Dinge zu kümmern, wie z.B. die Arbeit oder die Betreuung anderer Geschwister. Außerdem können die Kinder in Tagesförderstätten neue Erfahrungen machen und soziale Kontakte außerhalb der Wohngruppe oder Familie knüpfen.
Wie läuft die Betreuung ab?
Tagesförderstätten sind in der Regel auf die Bedürfnisse von Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung ausgerichtet und bieten eine Vielzahl von Aktivitäten an, wie beispielsweise handwerkliche Tätigkeiten, Kunst und Musik, Bewegung und Sport, Gartenarbeit und Tierpflege. Die Teilnahme an diesen Aktivitäten ermöglicht den Besuchern nicht nur eine sinnvolle Beschäftigung, sondern auch die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erlernen und das Selbstbewusstsein zu stärken. Gleichzeitig bieten sie den Eltern eine wichtige Entlastung und Unterstützung bei der Betreuung ihres Kindes. Sie können den Eltern eine Auszeit von der Betreuung und Pflege geben und ihnen die Möglichkeit bieten, sich um andere Dinge zu kümmern. Ein Fokus der Einrichtung liegt auch auf der pflegerischen Versorgung der Menschen mit Behinderung.
Wie die Beschäftigungsangebote aufgebaut sind ist von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich. In manchen Tagesförderstätten werden auch Therapieangebote (wie beispielsweise Ergotherapie) durchgeführt. In diesem Video der Lebenshilfe Nürnberger Land auf YouTube erhältst Du einen kurzen Einblick in eine Tagesförderstätte und den Tagesablauf.
Es kann sinnvoll sein, im Vorfeld gezielt nach einem Probetermin zu fragen, um die Einrichtung und das Betreuungsangebot ausführlich kennenzulernen, offene Fragen und Bedenken zu klären und um zu sehen, ob dein Kind sich in der Einrichtung wohlfühlt. Auch die Betreuer und das Personal können sich so ein Bild von den individuellen Bedürfnissen und Interessen deines Kindes machen.
Wer trägt die Kosten?
Die Kosten in Bayern übernimmt in der Regel der zuständige Träger der Eingliederungshilfe. In Bayern sind das die verschiedenen Bezirke. Für die Kostenübernahme muss ein Antrag gestellt werden und es muss eine Sozialhilfebedürftigkeit vorliegen. Sozialhilfebedürftig ist man, wenn der Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und mit dem eigenen Einkommen und Vermögen nicht bestritten werden kann. Informationen zur Antragstellung erhältst Du in unserem Fachbeitrag „Antragstellung“.
Wie lange kann eine Förderstätte besucht werden?
Die Besuchsdauer ist unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Art und Schwere der Behinderung sowie den persönlichen Zielen und Bedürfnissen. Es gibt, keine festgelegte zeitliche Begrenzung für den Besuch einer Tagesförderstätte. Es wird in der Regel regelmäßig überprüft, ob die Tagesförderstätte weiterhin den Zielen entspricht und ob eventuell andere Unterstützungsangebote besser geeignet wären.
Es ist wichtig zu beachten, dass durch die fehlende Sozialversicherungspflicht auch kein gesetzlicher Anspruch auf eine Altersrente besteht, wenn die Regelaltersgrenze erreicht wurde.
Wo finde ich Förderstätten?
Um eine Tagesförderstätte für dein Kind zu finden, kannst Du dich an deine örtliche Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung oder an Organisationen und Vereine für Menschen mit Behinderung wenden. Dort kannst Du dich über die verschiedenen Angebote in deiner Nähe informieren, dich beraten lassen und Unterstützung erhalten. Förderstätten kannst Du beispielsweise auch hier finden:
- in unserer Adressdatenbank
- auf der Seite des Bezirks Oberfranken
- auf der Seite des Bezirks Unterfranken
- auf der Seite der Lebenshilfe
- auf der Seite rehadat-wfbm.de
Weiterführende Informationen
- Lebenshilfe Landesverband Bayern - Leitsätze und Rahmenkonzeption
- Die Eckpunkte zur Förderstättenkonzeption auf der Seite des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales
- Unser Fachbeitrag zum Thema „Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben“
- Unser Fachbeitrag zum Thema „Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)“
Quellenverzeichnis
- Becker, H. (2016). … inklusive Arbeit! Das Recht auf Teilhabe an der Arbeitswelt auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. Beltz Juventa.
- https://www.bezirk-oberbayern.de/Soziales/Erwachsene-mit-Behinderungen/Ausbildung-und-Arbeit/F%C3%B6rderst%C3%A4tten/
- https://www.bezirk-unterfranken.de/hilfen1/sozialleistungen1/eingliederungshilfe/arbeit-und-beschaeftigung/22468.Foerderstaetten.html
- https://www.bmas.de/DE/Themen/Soziales/Teilhabe-behinderter-Menschen/Eingliederungshilfe/eingliederungshilfe.html
- https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/teilhabe-am-arbeitsleben-lsg-urteil/
- https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__219.html
- https://www.lag-wfbm-bw.de/fileadmin/user_upload/Fachtage/2019_04_03Becker_Handout.pdf
- https://lebenshilfe-wiesloch.de/index.php/foerder-und-betreuungsbereich
- https://www.lfp.bayern.de
- https://www.liga-rlp.de/kommissionen/hilfen-fuer-menschen-mit-behinderung/tagesfoerderstaetten/
- https://www.stmas.bayern.de/arbeitswelt/foerderstaettenkonzeption/index.php
- https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/bthg-kompass/bk-soziale-teilhabe/weitere-leistungen-zur-sozialen-teilhabe/leistungen-zum-erwerb-und-erhalt-praktischer-kenntnisse-und-faehigkeiten/fd6-1008/