Alles rund um den Schwerbehindertenausweis

Recht

Alles rund um den Schwerbehindertenausweis

Stand: 27.01.2023

Du stehst gerade vor der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises und weißt nicht weiter? Du bist dir unsicher, ob dein Kind überhaupt Anspruch auf einen Ausweis hat oder fragst dich wozu Du so einen Schwerbehindertenausweis für dein Kind beantragen solltest? Egal wo Du im Moment stehst und welche Fragen Du hast – wir haben dir im Folgenden einige wichtige Informationen rund um das Thema Schwerbehindertenausweis zusammengestellt.


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Was ist ein Schwerbehindertenausweis?

Der Schwerbehindertenausweis ist ein deutschlandweit einheitlicher Ausweis. Er gibt Auskunft über die Schwere der Behinderung eines Menschen. Diese ist als Grad der Behinderung (GdB) auf dem Ausweis festgehalten. Den Grad der Behinderung stellt in Bayern die entsprechende Regionalstelle des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS, oder auch Versorgungsamt) in Zehnergraden von 20 bis 100 fest.  
 

Einen Schwerbehindertenausweis kann beantragen, wer

  1. einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr hat und
     
  2. in Deutschland wohnt bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Beschäftigung in Deutschland hat

So legt es der § 2 SGB IX fest. Bei einem Grad der Behinderung unter 50 wird kein Schwerbehindertenausweis ausgestellt, sondern nur ein Bescheid über die Höhe des GdB.

Die Grundfarbe des Ausweises ist grün. Einen halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gibt es für Menschen mit einer Schwerbehinderung, die das Recht auf unentgeltliche Beförderung im Personennahverkehr in Anspruch nehmen können (Merkzeichen G, Gl, H, aG oder Bl bzw. TBl).

Auf der Rückseite des Ausweises finden sich weitere Abkürzungen, sogenannte Merkzeichen. Diese geben Auskunft über bestimmte Einschränkungen. Nur das Merkzeichen B ist auf der Vorderseite des Schwerbehindertenausweises zu finden.
 

Hier haben wir dir die Merkzeichen und ihre Bedeutung aufgelistet: 

G Das Merkzeichen G bedeutet, dass die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist und steht für eine erhebliche Gehbehinderung. Das ist der Fall, wenn Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen. Dabei müssen die Beeinträchtigungen in der Schwere mindestens einen GdB von 50 erreichen. Doch auch andere Behinderungen, wie zum Beispiel Herzerkrankungen, Lungenfunktionsstörungen Epilepsie oder eine geistige Behinderung können die Bewegungsfähigkeit deutlich einschränken.
B Mit dem Merkzeichen B wird die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen. Voraussetzung ist, dass der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt und zugleich das Merkzeichen G, H oder Gl zusteht.
aG Das Merkzeichen aG bedeutet, dass eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorliegt. Das kann auch der Fall sein, wenn man z. B. durch eine Herz- oder Lungenerkrankung stark in seiner Fortbewegungsfähigkeit eingeschränkt ist.
H Hilflose Personen erhalten das Merkzeichen H. Wer von der Pflegeversicherung (ab 01.01.2017) den Pflegegrad 4 oder 5 erhalten hat, erfüllt in der Regel die Voraussetzungen für das Merkzeichen H. Bei Pflegegrad 3 kann dies im Einzelfall zutreffen, z. B. wenn bisher die Pflegestufe II oder I mit in erhöhtem Maße beeinträchtigter Alltagskompetenz vorlag. Bei Pflegegrad 2 und 1 liegt Hilflosigkeit in der Regel noch nicht vor. Bei Kindern gelten für die Hilflosigkeit besondere Kriterien.
RF Mit dem Merkzeichen RF können die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags nachgewiesen werden.
Bl Bei Blindheit wird das Merkzeichen Bl zuerkannt.
Gl Gehörlose erhalten das Merkzeichen Gl.
TBl Das Merkzeichen TBl steht für Taubblindheit. Menschen mit Schwerbehinderung, die aufgrund einer Störung der Hörfunktion einen Grad der Behinderung von mindestens 70 haben und aufgrund einer Störung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 haben erhalten diese Merkzeichen.
1. Kl. Das Merkzeichen 1. Kl. erhalten Schwerkriegsbeschädigte und Verfolgte i. S. d. Bundesentschädigungsgesetzes mit einem Grad der Schädigung (GdS) bzw. einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 70 v. H., wenn ihr auf den anerkannten Schädigungsfolgen beruhender Zustand bei Eisenbahnfahrten die Unterbringung in der 1. Wagenklasse erfordert. Der GdS entscheidet sich vom GdB dadurch, dass der GdS nur auf die Schädigungsfolgen und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache bezogen ist. Der MdE ist dabei die frühere Bezeichnung des jetzigen GdS.
Kriegsbe-schädigt Diese Merkzeichen erhalten Menschen mit Schwerbehinderung, die Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz und einen Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 haben.
VB Das Merkzeichen VB bedeutet: Versorgungsberechtigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Opferentschädigungsgesetz oder einem anderen Nebengesetz zum BVG wegen eines GdS von wenigstens 50.
EB Das Merkzeichen EB bedeutet: Entschädigungsberechtigung nach § 28 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) wegen eines GdS von wenigstens 50.

(vgl. ZBFS, Wegweiser für Menschen mit Behinderung)
 

In der Schwerbehindertenausweisverordnung findest Du die rechtlichen Grundlagen zum Schwerbehindertenausweis.

Wozu ein Schwerbehindertenausweis?

Mit einem Schwerbehindertenausweis erhält man bestimmte Leistungen und Nachteilsausgleiche. Diese sollen behinderungsbedingte Nachteile ausgleichen und dir und deinem Kind die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.

So gibt es neben Steuervergünstigungen und ermäßigten Eintritten auch die Möglichkeit der kostenlosen Beförderung im Personennahverkehr, also die kostenlose Fahrt mit Bus und Bahn. Dazu berechtigt der halbseitige orangefarbene Flächenaufdruck auf dem Ausweis mit Beiblatt und gültiger Wertmarke. Die Wertmarke bekommst Du ebenfalls beim Zentrum Bayern Familie und Soziales.

Sie kostet 91 € für ein ganzes Jahr und 46 € für ein halbes Jahr. In besonderen Fällen gibt es die Wertmarke auch kostenfrei, z. B. bei den Merkzeichen H und Bl, oder bei den Merkzeichen G, aG, Gl,  wenn der Mensch mit Behinderung Grundsicherung, Bürgergeld oder ähnliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhält. Du kannst einfach diesen Fragebogen auf der Seite ÖPNV-Info ausfüllen, um zu erfahren, ob Du die Wertmarke kostenfrei/ohne Eigenbeteiligung erhältst.

Wenn Du freifahrtberechtigt bist kannst Du zwischen verschiedenen Optionen wählen:

  • Personen mit dem Merkzeichen G oder Gl können bei einer Selbstbeteiligung von 91 € jährlich zwischen der Wertmarke und damit der Freifahrt oder der Kfz-Steuerermäßigung wählen
     
  • Personen mit dem Merkzeichen aG können die Wertmarke für 91 € jährlich erwerben und werden zusätzlich von der Kfz-Steuer befreit
     
  • Personen mit dem Merkzeichen H oder Bl /TBl erhalten die Wertmarke für Freifahrten kostenfrei und sind zusätzlich von der Kfz-Steuer befreit

Weitere Informationen zur Ermäßigung bzw. Befreiung von der Kfz-Steuer erhältst Du in unserem Fachbeitrag zum Thema „Steuererleichterungen“.

Hat dein Kind auf dem Schwerbehindertenausweis zusätzlich den Buchstaben „B“ für „Begleitung erforderlich“ stehen, dann darf es eine Begleitperson kostenlos im Nahverkehr mitnehmen. Mehr Informationen zur Nutzung Öffentlicher Verkehrsmittel findest in unserem Fachbeitrag zum Thema Öffentlicher Personennahverkehr.  

Diese und viele weitere Nachteilsausgleiche und Ermäßigungen gibt es per Gesetz nur mit einem Schwerbehindertenausweis.

In unserem Fachbeitrag „Nachteilsausgleiche und Ermäßigungen“ findest Du eine Übersicht verschiedener Leistungen und wie Du zu diesen Leistungen kommst. Eine Übersicht über die wichtigsten Merkzeichen- bzw. GdB-abhängigen Rechte und Nachteilsausgleiche findest Du auch im "Wegweiser für Menschen mit Behinderung"(PDF-Download) zum Thema Rechte und Nachteilsausgleiche des ZBFS. 

Wie wird der Grad der Behinderung (GdB) bestimmt?

Der Grad der Behinderung (GdB) und die Merkzeichen werden von den Regionalstellen des ZBFS festgestellt. Die Festsetzung des Grades der Behinderung erfolgt nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. In dieser Verordnung ist festgelegt, welche Beeinträchtigungen mit welchem Grad der Behinderung einhergehen. Der Grad der Behinderung (GdB) ist ein Wert zwischen 20 und 100, jeweils in 10er Schritten.  

Im Teil B der Versorgungsmedizinischen Grundsätze findest Du die sogenannte GdS-Tabelle (Grad der Schädigungsfolgen). Hier ist jeder Funktionsbeeinträchtigung ein entsprechender GdS zugeordnet.

Für den GdB im Schwerbehindertenausweis wird ein Gesamt-GdB ermittelt. Dabei werden nicht die GdB der einzelnen Beeinträchtigungen zusammengezählt, sondern leitend ist immer die schwerwiegendste aufgeführte Beeinträchtigung. Bei allen weiteren Beeinträchtigungen wird geprüft, ob das Ausmaß der Behinderung tatsächlich größer wird. Im Einzelfall werden dem GdB der schwerwiegendsten Beeinträchtigung vielleicht noch 10, 20 oder mehr Punkte hinzugefügt, um der gesamten Behinderung gerecht zu werden. Die Behinderungen werden damit als Gesamtes betrachtet und nicht als einzelne Funktionsbeeinträchtigungen.

Falls Du noch weitere Informationen zum GdB möchtest, kannst Du dir auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales können kostenlos die Broschüre herunterladen: Versorgungsmedizin-Verordnung (Broschüre des BMAS).

Wo und wie beantrage ich einen Schwerbehindertenausweis?

Den Antrag stellst Du beim zuständigen Versorgungsamt. Die Regionalstellen des Zentrums Bayern Familie und Soziales sind in Bayern für die Feststellung des Grades der Behinderung, für die Zuerkennung von Merkzeichen und für die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises zuständig. Diese Regionalstellen, auch bezeichnet als „Versorgungsämter“, sind Dienststellen des Zentrums Bayern Familie und Soziales, einer zentralen Landesbehörde des Freistaates Bayern.

Du kannst sowohl die Feststellung des GdB als auch die Zuerkennung von Merkzeichen und die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises entweder online auf der Seite des ZBFS, per Post oder persönlich vor Ort in der jeweiligen Regionalstelle beantragen.  

Auf der Seite des ZBFS findest Du ausführliche Informationen, die dir bei der Antragstellung helfen können.
 

Grundsätzlich benötigst Du für die Antragsstellung folgende Unterlagen:

  • Name und Anschrift des Hausarztes deines Kindes sowie der weiteren behandelnden Ärzte mit dem jeweiligen Behandlungszeitraum
     
  • Namen der Krankenhäuser bzw. der Kur- oder Reha-Einrichtungen, genaue Aufenthaltszeiträume, Station und Art der Behandlung (ambulant/stationär)
     
  • Name und Anschrift der Krankenversicherung, Versicherungsnummer
     
  • Wenn von anderen Stellen Leistungen wegen der Gesundheitsstörungen erbracht werden, Du dort einen Antrag gestellt hast (auch wenn er evtl. abgelehnt wurde) oder sich weitere medizinische Unterlagen über die Gesundheitsstörungen bei anderen Stellen befinden (z. B. Pflegekasse, Berufsgenossenschaft, Rentenversicherung): Bezeichnung der Stelle, Geschäftszeichen, ggf. Datum des Bescheides, Datum des Unfalls, festgestellter MdE-Grad.
     
  • Wenn dein Kind eine Sonder- oder Förderschule o.ä. besucht oder bereits in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeitet: Name und Anschrift der Einrichtung.
     

Falls Du noch Fragen hast oder einfach nicht weiterkommst, dann möchten wir dir gerne mit einem dieser Angebote weiterhelfen:

  • In unserer Community findest Du viele Eltern, die bereits einen Antrag gestellt haben und dir neben unseren intakt-Moderatoren gerne weiterhelfen und Fragen beantworten.
     
  • In unserem Erklärvideo auf YouTube findest Du auch nochmal alle Informationen rund um den Schwerbehindertenausweis. In unserem Tutorial auf YouTube erklären wir dir Schritt für Schritt, wie man einen Schwerbehindertenausweis in Bayern online beantragt.
     
  • Auf dieser Seite des ZBFS kannst Du die Telefonnummer und Adresse der zuständigen Regionalstelle deiner Wohnort-Region in Bayern herausfinden und dich dort nach weiteren Informationen erkundigen.

Wie lange ist der Ausweis gültig?

Grundsätzlich ist der Schwerbehindertenausweis bis zu fünf Jahre gültig und kann zweimal verlängert werden. Nach dieser Verlängerung muss ein neuer Ausweis beim ZBFS beantragt werden. 

Sollte sich der Gesundheitszustand deines Kindes deutlich verbessern oder verschlechtern, dann muss bereits vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Ausweises das ZBFS informiert werden und gegebenenfalls die Merkzeichen angepasst werden. In besonderen Fällen wird der Schwerbehindertenausweis auch für unbefristete Zeit ausgestellt

Darf man mit dem Schwerbehindertenausweis auf Behindertenparkplätzen parken?

Nein. Dazu benötigt man einen speziellen Parkausweis. Der Schwerbehindertenausweis reicht hierfür nicht. Den Parkausweis kannst Du bei deinem örtlichen Straßenverkehrsamt beantragen. Weitere Informationen dazu findest Du im Fachbeitrag zum Thema Parkausweis.

Gilt der Schwerbehindertenausweis auch im Ausland?

Nein, die Rechte und Nachteilsausgleiche gelten nur in Deutschland. Dennoch kannst Du im Ausland den Schwerbehindertenausweis vorzeigen. Auf freiwilliger Basis können Unternehmen dann Ermäßigungen ermöglichen. 

Auf Ausweisen die seit dem 01.01.2013 ausgestellt wurden befindet sich ein Hinweis auf die Schwerbehinderung in englischer Sprache. Zudem kannst Du dir auf Wunsch in den Regionalstellen des ZBFS eine Bescheinigung über die Schwerbehinderung in französischer, spanischer und italienischer Sprache ausstellen lassen.  

Schwerbehindertenausweis oder Schwer-in-Ordnung-Ausweis?

Interessante Artikel zur aktuellen Diskussion um eine Umbenennung des Schwerbehindertenausweises in Teilhabeausweis oder Schwer-in-Ordnung-Ausweis findest Du auf der Seite schwerbehindertenausweis.de.

Was die einzelnen Parteien zu diesem Thema sagen kannst Du auf der Seite des Deutschen Bundestags nachlesen. Eine Schwer-in-Ordnung-Hülle für den Ausweis bekommt man in Bayern aktuell noch nicht. Die Hüllen können jedoch online bestellt werden. 

Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
Bildquellen
  • https://stock.adobe.com/de/images/schwerbehindertenausweis-in-hosentasche/170104134?asset_id=170104134