Jugend- und Erwachsenenalter
Mein Kind ist volljährig - und nun?
Stand: 08.10.2024
Der 18. Geburtstag ist in Deutschland ein ganz besonderer Geburtstag. Mit diesem erlangt man die Volljährigkeit und das Sorgerecht der Eltern endet. Das gilt zunächst auch für dein Kind mit Behinderung. Dein Kind ist dem Gesetz nach nun erwachsen. Deshalb gibt es einige Dinge, die Du vor beziehungsweise nach dem 18. Geburtstag deines Kindes beachten solltest. Dieser Fachbeitrag gibt einen Überblick über einige anstehende Veränderungen und informiert dich über weitere relevant werdende Themen.
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Was verändert sich mit der Volljährigkeit meines Kindes?
Rechtliche Betreuung
Für Eltern von Kindern mit geistiger Behinderung ist vor allem die Frage nach der Betreuung wichtig. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit 18 Jahren die elterliche Sorge erlischt und der junge Erwachsene somit selbst verantwortete Entscheidungen treffen kann. Wenn er dazu nicht in der Lage ist, muss jemand seine rechtliche Vertretung übernehmen. Die rechtliche Betreuung muss dabei nicht zwangsläufig von den Eltern übernommen werden, sondern kann auch durch jemand anderen erfolgen. Es ist wichtig sich darüber rechtzeitig Gedanken zu machen. Nähere Informationen dazu findest Du im Fachbeitrag zum Thema Rechtliche Betreuung.
Erstellung einer Patienten-/Betreuungsverfügung
Patientenverfügung
In der Patientenverfügung werden Regelungen getroffen, wie bei gesundheitlichen Fragen entschieden werden soll (zum Beispiel Wiederbelebung oder künstliche Ernährung), wenn der Betroffene dazu nicht mehr selbst in der Lage ist. Für diese Verfügung ist eine sogenannte Einwilligungsfähigkeit erforderlich. Das bedeutet, dass der Betroffene in der Lage sein muss, Entscheidungen zu verstehen und Konsequenzen einzuschätzen. Trifft dies zu, ist diese Entscheidung von dem Menschen mit Behinderung allein zu treffen und darf nicht vom rechtlichen Betreuer ausgeführt werden.
Betreuungsverfügung
Mit dieser Verfügung kann der nun Volljährige bestimmen, wer als Betreuer eingesetzt werden soll, falls eine rechtliche Betreuung notwendig wird. Außerdem kann er auch Personen nennen, die diese Position auf jeden Fall nicht ausführen sollen. Diese Verfügung sollte schriftlich festgehalten werden und kann je nach Bundesland beim Gericht hinterlegt werden. Sie dient der Vorsorge.
Erstellung einer Vollmacht
Statt einem rechtlichen Betreuer hat der Betroffene unter Umständen die Möglichkeit eine Person seines Vertrauens zu bevollmächtigen. Das bedeutet, dass dieser die Erlaubnis bekommt, ihn in bestimmten Situationen rechtlich zu vertreten. Um eine Vollmacht erteilen zu können, muss die betreffende Person mit einer Behinderung geschäftsfähig sein. Diese Vollmacht kann auch nur für bestimmte Bereiche (wie zum Beispiel Finanzen oder Gesundheit) erteilt werden. Wird die Vollmacht für alle Lebensbereiche erteilt, spricht man von einer sogenannten „Generalvollmacht“. Jede Art von Vollmacht sollte schriftlich festgehalten werden. Einen Vordruck in leichter Sprache findest Du auf der Seite des SKM Freiburg e.V. (PDF-Download).
Weitere Informationen dazu erhältst Du auch in unserem Erklärvideo auf YouTube.
Grundsicherung
Menschen mit Behinderung die ihren Lebensunterhalt aufgrund der Behinderung nicht selbst verdienen können, steht ab dem 18. Lebensjahr eine sogenannte „Grundsicherung bei Erwerbsminderung“ zu. Weitere Informationen zur Grundsicherung kannst Du unserem Fachbeitrag "Was ist die Grundsicherung?" entnehmen.
Wahlrecht
In der Regel hat jeder Mensch die Möglichkeit mit der Volljährigkeit wählen zu gehen. Vereinzelt ist das jedoch auch schon ab 16 Jahren möglich. Was hierbei beachtet werden sollte, kannst Du in unserem Fachbeitrag „Inklusives Wahlrecht und Wahlassistenz“ nachlesen.
Kindergeld
In der Regel wird das Kindergeld den Eltern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ausgezahlt (Ausnahmen bei Ausbildung / Beruf). Eltern von Kindern mit Behinderung steht der Anspruch auf Kindergeld jedoch unter Umständen auch nach Eintritt der Volljährigkeit zu. Bedingungen dafür sind, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Der Umstand, dass sich das Kind nicht mehr selbst unterhalten kann, ist eine weitere Voraussetzung, jedoch muss dieser nicht vor dem 25. Lebensjahr eingetreten sein. Das Geld wird normalerweise direkt an die Eltern ausgezahlt. Wenn das Sozialamt allerdings Kosten für den Unterhalt deines Kindes übernimmt (zum Beispiel in einer besonderen Wohnform), kann es sein, dass Du nur einen Teil des Geldes direkt ausbezahlt bekommst (auch Abzweigung genannt). Der andere Teil des Kindergeldes wird an das zuständige Sozialamt überwiesen. Falls Du aber weiterhin Aufwendungen in Höhe des Kindergeldes für dein Kind hast, hast Du trotzdem weiterhin Anspruch auf das Kindergeld.
Auf der Seite des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. findest Du hilfreiche Tipps und Informationen zu den sogenannten Abzweigungsanträgen.
Widerspruch einlegen
Nicht selten kommt es vor, dass Anträge zunächst abgelehnt werden. Egal ob es sich um pauschale Kürzungen, Streichungen bei Pflegegrad und Merkzeichen, um die Bestimmung des Grades der Behinderung oder andere Angelegenheiten handelt: Wir wollen dich ermutigen, dass Du in jedem Fall Widerspruch einlegst! In vielen Fällen wurden die Anträge nach Einlegen des Widerspruches dann bewilligt. Weitere Informationen bekommst Du in unserem Fachbeitrag zum Thema Widerspruch.
Versicherungen
Minderjährige Kinder sind meistens über die Familienversicherung der Eltern mitversichert. Grundsätzlich besteht diese Familienversicherung bei Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr.
Allerdings gibt es einige Ausnahmen und das Kind kann auch über das 18. Lebensjahr hinaus Teil der Familienversicherung sein:
- bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn das Kind nicht erwerbstätig ist
- bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung, in einem freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr oder im Studium befindet
- ohne Altersgrenze, wenn das Kind aufgrund einer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten
Hinweis: Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten, befinden sich in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Das bedeutet, dass diese durch ihr Einkommen nicht mehr Teil der Familienversicherung sein können. Bei Menschen, die eine Tagesförderstätte besuchen, kann der Betroffene weiterhin in der Familienversicherung bleiben.
In unserem Fachbeitrag "Versicherungen bei Menschen mit Behinderung" bekommst Du weitere Informationen.
Wohnen
Nach und nach taucht vielleicht die Frage auf, wo dein Kind in Zukunft wohnen kann und wohnen möchte. Andere junge Erwachsene denken im gleichen Alter so langsam darüber nach, von zu Hause auszuziehen. Das ist auch ein Gedanke, den dein Kind oder Du früher oder später haben werdet. Vielleicht kann dir unser unser Fachbeitrag „Ausziehen von zu Hause“ bei der Entscheidung weiterhelfen. Unser Fachbeitrag „Alles rund ums Wohnen“ gibt dir einen Überblick über die verschiedenen Wohnmöglichkeiten für dein Kind. In unserem Interview auf YouTube zum Thema Wohnen spricht Marco Hörmeyer (Vater eines Kindes mit Behinderung) über Herausforderungen bei der Wohnungssuche und wie die Familie damit umgegangen ist.
Ausbildung, Studium und Beruf
Menschen mit Behinderung haben meist genau wie andere in ihrem Alter den Wunsch eine Ausbildung anzufangen, studieren zu gehen oder einen Beruf auszuüben. Es gibt vom Staat viele verschiedene Maßnahmen und Nachteilsausgleiche, um Menschen mit Behinderung in diesem Bereich bei der Teilhabe an der Gesellschaft zu unterstützen. Nähere Informationen findest Du in unserem Fachbeitrag “Ausbildung und Studium mit Behinderung”, in unserem Fachbeitrag ”Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben" und im Fachbeitrag “Wo kann mein Kind arbeiten?”.
Freizeit
Wie andere junge Erwachsene in diesem Alter, möchte dein Kind vielleicht nicht mehr den größten Teil seiner Freizeit mit den eigenen Eltern verbringen. Wenn es sich jedoch aufgrund seiner persönlichen Voraussetzungen nicht allein um seine Freizeitgestaltung kümmern kann, so gibt es auch hier Möglichkeiten der Unterstützung. Mehr dazu findest Du in unserem Fachbeitrag zum Thema Freizeit.
Wer zahlt nun was?
Eng mit all diesen Fragen verbunden ist die Frage nach den finanziellen Möglichkeiten. Wer zahlt denn nun was? Hierfür findest Du weitere ausführliche Informationen in unseren weiteren Fachbeiträgen.
Weiterführende Informationen
- In der Broschüre zum Thema „18 werden mit Behinderung“ auf der Seite des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.
- Alle Informationen des Beitrags haben wir dir auch noch einmal in unserem Erklärvideo auf YouTube zusammengefasst
Quellenverzeichnis
- https://bvkm.de/wp-content/uploads/2017_18-werden_Barrierefrei-2.pdf
- https://www.lebenshilfe.de/informieren/familie/erwachsen-werden-mit-behinderung