Kindergeld für volljährige Kinder mit Behinderung

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Kindergeld für volljährige Kinder mit Behinderung

Stand: 17.01.2024

Normalerweise endet der Anspruch von Eltern auf Kindergeld mit dem 18. Geburtstag der Kinder. Beginnt das Kind jedoch mit einer ersten Ausbildung oder einem Erststudium kann das Kindergeld bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verlängert werden. Für ein Kind mit Behinderung kann sogar über den 25. Geburtstag hinaus Kindergeld bezogen werden. Über die Voraussetzungen und Bedingungen möchten wir dich im Folgenden informieren.

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Was ist das Kindergeld?

Das Kindergeld ist eine steuerliche Ausgleichszahlung an Eltern. 

Ansprechpartner für das Kindergeld sind die Familienkassen und die Finanzgerichte beziehungsweise der Bundesfinanzhof (BFH). 

Die gesetzlichen Regelungen zum Kindergeld sind im Einkommenssteuergesetz (EStG) festgehalten. Seit dem 01.01.2023 beträgt das Kindergeld einheitlich für jedes Kind 250 € im Monat (§ 66 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz). 

Für die Höhe spielt es keine Rolle, wie alt das Kind ist oder ob eine Behinderung vorliegt. Das Kindergeld nach dem EStG ist keine Sozialleistung. 

Darüber hinaus gibt es noch das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG), welches vom Kindergeld nach dem EstG zu unterscheiden ist. Im BKGG ist das Kindergeld eine Sozialleistung und gilt für beschränkt Steuerpflichtige. Die Höhe des Kindergeldes nach BKGG entspricht der Höhe des Kindergeldes nach EStG.

Im Folgenden wird es um das Kindergeld nach § 62 ff. EStG gehen.

Welche Personen dürfen Kindergeld beziehen?

Das Kindergeld ist grundsätzlich eine Leistung an die Eltern eines Kindes, nicht an das Kind selbst. Bezugsberechtigt sind also die Eltern. Sie müssen auch den Antrag bei der Familienkasse stellen.

Neben Eltern können auch weitere Personen wie zum Beispiel Geschwisterkinder, die nach dem Tod beider Elternteile das Geschwisterkind mit Behinderung betreuen, oder Pflegeeltern Kindergeld beziehen. Also Personen die mit dem Kind in einem sogenannten Pflegekindschaftsverhältnis stehen. Dies ist im Abschnitt A11 in der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz (PDF-Download) festgehalten. 

Unter welchen Voraussetzungen gibt es Kindergeld für Kinder mit Behinderung, die bereits 25 Jahre alt sind?

Kindergeldanspruch für volljährige Kinder besteht über das 25. Lebensjahr hinaus, wenn das Kind aufgrund einer Behinderung außerstande ist für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG).

Kindergeld für erwachsene Kinder mit Behinderung gibt es also nur, wenn  

  1. das erwachsene Kind mit Behinderung nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann (jährliches Einkommen liegt unter seinem Lebensbedarf),
     
  2. die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist,
     
  3. die Behinderung ursächlich dafür ist, dass der erwachsene Mensch nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann
     

Wichtig zu beachten:

  • Die Behinderung muss vor der Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein, jedoch nicht der Umstand, dass die Person sich nicht selbst unterhalten kann.
     
  • Bei Kindern, die bis einschließlich 1981 geboren wurden, muss die Behinderung vor der Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein.
     
  • Das Kindergeld kann rückwirkend nur für 6 Monate ausgezahlt werden.
     
  • Ein Kindergeldanspruch kann bis zu 4 Jahre rückwirkend beantragt werden (§ 169 AO).
     
  • Kein Kindergeldanspruch besteht, wenn die finanziellen Mittel des Kindes ausreichend sind, um für die Kosten seines Lebensunterhalts aufzukommen.

Wann ist das Kind außerstande sich selbst zu unterhalten?

Nach den Regelungen für das Kindergeld ist ein Mensch mit Behinderung erst dann im Stande, sich selbst zu unterhalten, wenn seine finanziellen Mittel höher sind als sein Lebensbedarf.

Ein Mensch mit Behinderung ist außerstande sich selbst zu unterhalten, wenn er weniger als 11.604 € pro Jahr (Grundfreibetrag Stand: 2024) erwirtschaftet. Zusätzlich zu diesem Grundfreibetrag kann ein sogenannter individueller behinderungsbedingter Mehrbedarf geltend gemacht werden. 

Der individuelle behinderungsbedingte Mehrbedarf bemisst sich entweder durch den Behinderten-Pauschbetrag oder es können einzelne nachgewiesene Leistungen als Mehrbedarf angesetzt werden. Informationen zum Behinderten-Pauschbetrag findest Du in unserem Fachbeitrag „Steuererleichterungen“.

Die finanziellen Mittel sowie der Lebensbedarf errechnen sich jeweils aus verschiedenen Bestandteilen.

Vereinfacht kannst Du dir das so vorstellen:

Dein Kind arbeitet in einer Werkstatt, erhält dafür ein monatliches Entgelt von 250 € und wohnt bei dir zuhause. Um nun herauszufinden, ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht, müssen die finanziellen Mittel und der Lebensbedarf gegenübergestellt werden.
 

Lebensbedarf:

Grundfreibetrag (Stand: 2023)11.604 €

Finanzielle Mittel:

Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit § 19 EStG (250 € x 12 Monate) 
abzüglich Werbungskostenpauschale (1.230 €)
1.770 €

 

In diesem Fall besteht ein Anspruch auf Kindergeld, da die finanziellen Mittel den Lebensbedarf deines Kindes nicht decken können. 

Wenn in einer vereinfachten Berechnung die finanziellen Mittel den Lebensbedarf decken können, besteht kein Anspruch auf Kindergeld. Da es sich jedoch um eine vereinfachte Berechnung handelt und nicht alle Eckpunkte darin berücksichtigt werden, kann durch eine ausführliche Berechnung dennoch ein Anspruch auf Kindergeld bestehen. Die Familienkassen sind dazu angehalten zunächst eine vereinfachte Berechnung durchzuführen. Wenn nach dieser Berechnung kein Anspruch auf Kindergeld besteht müssen sie eine ausführliche Berechnung vornehmen (DA-KG A 19.4 Abs. 3).

Was dabei alles zu beachten ist und wie eine ausführliche Berechnung aussehen kann, erfährst Du im Folgenden.

1. Lebensbedarf

Der notwendige Lebensbedarf des Kindes mit Behinderung setzt sich zusammen aus

  • einer jährlich neu festgesetzten Einkommensgrenze (Grundfreibetrag), die  im Jahr 2024 bei 11.604 € (§ 32a EStG) Einkommen pro Jahr liegt,
     
  • dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf und
     
  • dem weiteren Mehrbedarf.

Der individuelle behinderungsbedingte Mehrbedarf besteht aus unterschiedlichen Bestandteilen, je nachdem ob das Kind mit Behinderung in einer besonderen Wohnform wohnt, eine teilstationäre Einrichtung (z. B. WfbM oder Tagesförderstätte) besucht oder keine dieser Leistungen in Anspruch nimmt. Auch Leistungen der Eingliederungshilfe oder der Pflegebedarf wirken sich auf den individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf aus.

Der weitere Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die nicht durch den individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf umfasst werden. Sie können daher zusätzlich als Mehrbedarf berücksichtigt werden. Egal ob nun der Behinderten-Pauschbetrag oder Einzelnachweise für den individuellen Mehrbedarf angesetzt werden.

Grundsätzlich ist es immer dann sinnvoller, Einzelnachweise anzubringen, wenn der Behinderten-Pauschbetrag niedriger ist als die Summe der Leistungen, die berücksichtigt werden können.

Leistungen die für den Einzelnachweis (individueller Mehrbedarf) zu berücksichtigen sind:

  • Pflegegeld: Wenn dein Kind einen anerkannten Pflegegrad hat und monatlich Pflegegeld erhält, so kann dieses als Mehrbedarf angesetzt werden. Hierzu zählt ebenfalls das Landespflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz.
     
  • Hilfe zur Pflege: Wenn die Pflegesachleistungen den Pflegebedarf nicht decken, kann ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege bestehen. Die Hilfe zur Pflege ist ebenfalls als Mehrbedarf zu berücksichtigen.
     
  • Blindengeld: Wenn dein Kind Blindengeld erhält, so wird diese Leistung ebenfalls als behinderungsbedingter Mehrbedarf berücksichtigt.
     
  • Eingliederungshilfe: Leistungen zur Teilhabe die der Träger der Eingliederungshilfe erbringt sind als behinderungsbedingter Mehrbedarf zu berücksichtigen.
     
  • Grundsicherung nach dem SGB XII: Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII sind als behinderungsbedingter Mehrbedarf zu berücksichtigen. Von diesem Mehrbedarf müssen die Verpflegungskosten jedoch abgezogen werden, da sie bereits im allgemeinen Lebensbedarf (Grundfreibetrag) berücksichtigt werden.

Weiterer Mehrbedarf der berücksichtigt werden kann: 

  • Betreuungsbedarf: Wurde ein Pflegegrad anerkannt, so kann der Amtsarzt oder behandelnde Arzt unbedingt erforderliche Betreuungsleistungen der Eltern bescheinigen. Hierfür werden 10 € pro Stunde angesetzt. Übersteigen die erforderlichen Betreuungsleistungen der Eltern das Pflegegeld, kann die Differenz als Mehrbedarf geltend gemacht werden. Den Vordruck für die ärztliche Bescheinigung findest Du auf der Seite der Arbeitsagentur (PDF-Download).
     
  • Fahrtbedarf: Wenn das Merkzeichen „G“ und ein GdB von mindestens 70 oder nur ein GdB von mindestens 80 vorliegen wird eine jährliche Pauschale von 900 € als Mehrbedarf für behinderungsbedingte Fahrtkosten berücksichtigt. Diese Pauschale beträgt jährlich 4.500 €, wenn das Merkzeichen „aG“, „Bl“, „TBl“ oder „H“ vorliegt.
     
  • Krankheitskosten: Wenn Aufwendungen durch die Behinderung nicht von der Krankenkasse übernommen werden, können diese als Mehrbedarf berücksichtigt werden. Darunter fallen z.B. Operationskosten, Heilbehandlungen, Kuren, Arzt und Arzneikosten.
     
  • Mehraufwendungen bei Urlaubsreisen: Wenn eine Bescheinigung des behandelnden Arztes oder das Merkzeichen „B“ im Schwerbehindertenausweis vorliegen, können die Kosten für Fahrten, Unterbringung und Verpflegung einer Begleitperson als Mehrbedarf bis zu einem Betrag von 767 € pro Jahr berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass Du Nachweise für die entstandenen Kosten vorlegen kannst.
     

2. Einkünfte und Bezüge (Finanzielle Mittel)

Dem Lebensbedarf des Kindes sind die Einnahmen des Kindes gegenüberzustellen, die sich aus den steuerpflichtigen Einkünften, steuerfreien Einnahmen und Vorsorgeaufwendungen zusammensetzen.

Steuerpflichtige Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit, aus nichtselbständiger Arbeit (z. B. Arbeitsentgelt in der WfbM), aus Kapitalvermögen (z. B. Zinsen, Dividenden), aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte (z. B. Renten, Spekulationsgewinne). Hiervon kann  die Werbungskostenpauschale abgezogen werden. Für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beträgt sie 1.230 € und für Einkünfte aus einer Erwerbsminderungsrente 102 €.

Steuerfreie Einnahmen sind z. B. Arbeitslosengeld, Grundsicherung, Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege, Sachbezüge für Unterkunft und Verpflegung, eine steuerfreie Unfallrente sowie tatsächlich erhaltenes Pflegegeld. Zusätzlich kann noch eine Kostenpauschale in Höhe von 180 € abgezogen werden für Kosten die durch Zufluss von Einnahmen entstanden sind. Darunter fallen z. B. Kontoführungsgebühren. 
Auch hier gilt: Sind die tatsächlichen Aufwendungen höher als die Pauschale, können sie ebenfalls als Einzelnachweise geltend gemacht werden.

Unvermeidbare Vorsorgeaufwendungen, wie Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge zur Basiskranken- und Pflegeversicherung und Zuzahlungen zu Leistungen der Krankenversicherung sind von den Einkünften und Einnahmen abzuziehen.

Das Vermögen des Kindes wird bei der Frage, ob es in der Lage ist sich selbst zu unterhalten nicht mehr berücksichtigt. Lediglich die Kapitalerträge (z. B. Zinsen) zählen zum Einkommen (BFH Urteil vom 19. August 2002, VIII R 17/02 und VIII R 51/01).

Ausführliches Berechnungsbeispiel (Stand der Beispielrechnung: 2024)

Diese Beispielrechnung bezieht sich auf ein Kind mit Behinderung, mit einem Pflegegrad 3 und einem GdB von 80, das bei seinen Eltern wohnt, in einer WfbM arbeitet und Erwerbsminderungsrente bezieht. Die Erwerbsminderungsrente beträgt 870 €. Davon bekommt es 788 € ausgezahlt und 82 € bilden den Eigenanteil für die gesetzliche Kranken und Pflegeversicherung. Den Eltern wurden darüber hinaus unbedingt erforderliche Betreuungsleistungen von 4 Stunden pro Tag vom Hausarzt des Kindes bescheinigt. 

Lebensbedarf:

Grundbedarf (aktuellen Grundfreibetrag findest Du in § 32a EStG)11.604 € 
Eingliederungshilfe für Beschäftigung in der WfbM (12 x 1.250 €)
abzüglich Verpflegungskosten (114 € x 12 Monate gemäß §2 SvEV)              
13.512 €
Pflegebedarf (Pflegegeld des Pflegegrades 3: 545 € x 12 Monate)6.876 €
Fahrtkostenpauschale 900 €
erforderliche Betreuungsleistungen ( 4 Stunden x 30 Tage x 10 € x 12 Monate, abzüglich Pflegegeld 545 € x 12 Monate)7.524 €
Summe40.416 €

 

Finanzielle Mittel:

Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit § 19 EStG (250 € x 12 Monate) 
abzüglich Werbungskostenpauschale (1.230 €)
1.770 €
Erwerbsminderungsrente (870 € x 12 Monate) abzüglich Werbungskostenpauschale (102€)10.338 €
Eingliederungshilfe für die WfbM (nach SGB IX; 1.250 € x 12 Monate) 15.000 €
Pflegegeld (545 € x 12 Monate)6.876 €
abzüglich Sozialversicherungsbeiträge (82 € x 12 Monate)– 984 €
abzüglich der Kostenpauschale– 180 €
Summe32.820 €


Im Beispiel sind die finanziellen Mittel niedriger als der Lebensbedarf. In diesem Fall wäre dein Kind außerstande sich selbst zu unterhalten und Du würdest Kindergeld erhalten.

Wenn dein Kind zusätzlich bayerisches Landespflegegeld erhält, so muss dieses ebenfalls  gegenüber der Familienkasse angegeben werden. Dabei wird es wie das Pflegegeld nach SGB XI in die Berechnung mit einbezogen, sodass es sowohl im Lebensbedarf als auch bei den finanziellen Mittel aufgeführt wird und sich dadurch ausgleicht. Es ist daher davon auszugehen, dass durch den Bezug von bayerischem Landespflegegeld der Anspruch auf Kindergeld nicht verloren geht.

Weitere Beispielrechnungen und ausführliche Erklärungen findest Du im Merkblatt "Kindergeld für erwachsene Menschen mit Behinderung" (PDF-Download) des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. und in der Dienstanweisung Kindergeld (PDF-Download).

Wie muss die Behinderung nachgewiesen werden?

Um Kindergeld für dein volljähriges Kind mit Behinderung zu beantragen, musst Du die Behinderung deines Kindes nachweisen. Dazu benötigst Du eine Bescheinigung/Gutachten aus dem folgenden Informationen hervor gehen:

  • Vorliegen der Behinderung
     
  • Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit
     
  • Beginn der Behinderung (wenn dein Kind das 25. Lebensjahr bereits vollendet hat)


Für den Nachweis reicht in der Regel der Schwerbehindertenausweis deines Kindes. Hat dein Kind keinen Schwerbehindertenausweis, kannst Du auch folgende Bescheinigungen/Gutachten beilegen:

  • Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes
     
  • Rentenbescheid
     
  • Pflegegeld-Bescheid
     
  • ärztliches Gutachten.

Achte auf die Gültigkeitsdauer deiner Dokumente.

Wann ist eine Behinderung ursächlich?

Die Behinderung deines Kindes muss Ursache dafür sein, dass dein Kind seinen Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften kann. Dies ist in den folgenden Fällen gegeben:

  • Merkzeichen „H“ (Hilflos) im Schwerbehindertenausweis
     
  • bei Pflegegrad 4 oder 5
     
  • wenn eine Erwerbsminderungsrente bewilligt ist oder eine dauerhafte volle Erwerbsminderung nach § 45 SGB XII festgestellt ist
     
  • dein Kind arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) oder bei einem anderen Leistungsanbieter
     
  • dein Kind wird in einer Tagesförderstätte betreut
     
  • dein Kind bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII
     
  • dein Kind wohnt in einer besonderen Wohnform
     
  • es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vor und dein Kind wird für einen Beruf ausgebildet

Liegt keiner der oben genannten Fälle vor, muss die Ursächlichkeit vom behandelnden Arzt des Kindes festgestellt werden. Das ist der Fall, wenn es nicht mindestens 15 Stunden pro Woche unter den üblichen Bedingungen arbeiten kann.

In besonderen Fällen reicht auch eine sogenannte Mitursächlichkeit der Behinderung aus. Das bedeutet, das Kind ist zwar grundsätzlich in der Lage auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten, allerdings führt die Behinderung zu erheblichen Einschränkungen der Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt (DA-KG 19.3 Abs. 4 (PDF-Download)).

Wo beantrage ich Kindergeld für ein erwachsenes Kind mit Behinderung?

Den Antrag auf Kindergeld (falls Du bereits Kindergeld beziehst genügt ein Kurzantrag) kannst Du auf der Seite der Arbeitsagentur herunterladen. Den Antrag kannst Du dann bei der Familienkasse der Arbeitsagentur, die für deinen Bezirk zuständig ist, stellen. Die zuständige Familienkasse für deinen Wohnsitz kannst Du hier auf der Seite der Bundesagentur für Arbeit finden. 
Angehörige des öffentlichen Dienstes und Empfänger von Versorgungsbezügen müssen den Antrag bei der Familienkasse der zuständigen Bezügestelle stellen.

Du kannst den Antrag online stellen, persönlich in deiner Familienkasse abgeben, per Post einreichen oder durch einen Beauftragten abgeben lassen.

Bei der Beantragung muss grundsätzlich ein Schwerbehindertenausweis oder ein entsprechendes Dokument (z. B. Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes, Rentenbescheid oder Pflegegeld-Bescheid) vorgelegt werden. Nach Ablauf der Gültigkeit ist der verlängerte Nachweis der Behinderung erneut vorzulegen.

Wie hängt das Kindergeld mit anderen steuerlichen Vergünstigungen zusammen?

Das Elterneinkommen bleibt unberücksichtigt. Viele steuerliche Vergünstigungen, die Eltern eines Kindes mit Behinderung geltend machen können, hängen davon ab, ob das Kind berücksichtigungsfähig im Sinne des EStG ist. Dies ist der Fall, wenn die Eltern für dieses Kind kindergeldberechtigt sind.

Zu den Folgeansprüchen zählen beispielsweise:

  • Beihilfeberechtigung in der Beamtenversorgung
     
  • Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags auf die Eltern (§ 33b Abs. 5 EStG)
     
  • Übertragung der behinderungsbedingten Fahrkostenpauschale auf die Eltern für Fahrten bei denen das Kind mitgefahren ist
     
  • Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EstG)
     
  • Andere außergewöhnliche Belastungen die nicht unmittelbar und typischerweise mit der Behinderung zusammenhängen. Eltern können zusätzlich zur Behinderten-Pauschbetrag außergewöhnliche Belastungen in der Einkommenssteuererklärung geltend machen (z. B. Krankheitskosten, Kurkosten, Aufwendungen für eine Begleitperson, Besuchsfahrten zum Kind im Krankenhaus, behinderungsgerechte Umbauten)
     
  • Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§24b EStG)
     
  • Ausbildungsfreibetrag (§ 33a Abs. 2 EStG)

Wenn Eltern Sozialhilfe beziehen, dann wird das Kindergeld entsprechend angerechnet und an das Sozialamt abgeführt. Dennoch sollte aufgrund der daraus resultierenden Folgeansprüchen auf jeden Fall Kindergeld beantragt werden.

Auszahlung des Kindergelds

Wird das Kindergeld nicht auf das Konto der Eltern, sondern direkt auf das Konto des Kindes mit Behinderung ausgezahlt oder von den Eltern dorthin sofort weiter überwiesen, gilt es als Einkommen des Kindes und führt unter Umständen dazu, dass die Leistungen der Grundsicherung gekürzt werden. Zum Teil treten die Sozialämter direkt an die Eltern heran und bitten diese, das Kindergeld an das Kind weiterzuleiten. Dazu bist Du jedoch nicht verpflichtet und solltest unbedingt widersprechen.

Darf das Sozialamt einen Teil des Kindergeldes abzweigen?

In § 74 des Einkommenssteuergesetzes heißt es, dass das Kindergeld auch an die Stelle ausgezahlt werden kann, die dem Kind Unterhalt gewährt, wenn Kindergeldberechtigte (also im Regelfall die Eltern) ihre gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht erfüllen. 

Das Kindergeld kann dementsprechend auch direkt an das Kind ausgezahlt werden oder an denjenigen, der für den Unterhalt des Kindes aufkommt: das sind normalerweise die Eltern, sind diese aufgrund eines geringen Einkommens dazu nicht in der Lage, dann erfüllt dies das Sozialamt (in Form von Leistungen zur Grundsicherung).  

Immer häufiger beantragen Sozialämter aufgrund dieser Vorschrift bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung oder bei erwachsenen Menschen mit Behinderung, die in besonderen Wohnformen leben, daher die Abzweigung des Kindergeldes an das Sozialamt. Mit Abzweigung ist gemeint, dass die Familienkasse das Kindergeld direkt an das Sozialamt auszahlen soll.

Der Sozialhilfeträger ist grundsätzlich nicht abzweigungsberechtigt, wenn er Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII für ein Kind mit Schwerbehinderung zahlt, das im Haushalt des Kindergeldberechtigten lebt (BFH Urteil vom 18.4.2013, V R 48/11).  

Das bedeutet:

Lebt das Kind zu Hause bei den Eltern, dann bleibt den Eltern das Sammeln und Darlegen von monatlichen Ausgaben für das Kind mit Schwerbehinderung erspart, solange das Kind im Haushalt des Kindergeldberechtigten lebt.

Lebt das Kind selbstständig z.B. in einer besonderen Wohnform und erhält Leistungen der Grundsicherung, dann müssen die Eltern Aufwendungen, die sie mit dem Kindergeld bezahlen, darlegen, um eine Abzweigung des Kindergeldes abzuwenden.

Nachweis von Aufwendungen

Eltern steht das Kindergeld also weiterhin zu, wenn sie durchschnittliche monatliche Kosten in Höhe des Kindergeldes haben und diese auch nachweisen können. Dafür sollten die Ausgaben unbedingt dokumentiert werden und wenn möglich durch Quittungen und Belege nachgewiesen werden. Sind die tatsächlichen, nachweisbaren Kosten geringer als das Kindergeld, kann der Fehlbetrag vom Sozialamt abgezweigt werden.

Bei Grundsicherungsberechtigten ist bei der Art der Aufwendungen Vorsicht angebracht: Dienen die Aufwendungen dem gleichen Zweck wie die Grundsicherung, können sie vom Sozialamt bedarfsmindernd auf die Grundsicherung angerechnet werden, die sich dann genau um die Höhe dieser Leistungen verringert.

Eltern sollten daher nur besondere behinderungsbehinderte (Mehr-)Bedarfe angeben, z. B.

  • Fahrtkosten, z. B. zu therapeutischen und medizinischen Maßnahmen oder durch Besuche des Kindes
     
  • Kosten für Arzt und Therapiebehandlungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden
     
  • Kosten für Medikamente, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden
     
  • Kosten für Zahnersatz
     
  • Kosten für Sehhilfen
     
  • Kosten für notwendige Betreuungs- und Versorgungsleistungen in Höhe von 10 € pro Stunde, wenn die Notwendigkeit persönlicher Betreuungsleistungen, die nicht durch Pflegegeld abgedeckt sind, durch ein amtsärztliches Attest nachgewiesen werden
     
  • Kosten für Freizeitunternehmungen und Urlaub inkl. Betreuungs- und Begleitkosten, die nicht vom Sozialhilfeträger erbracht werden
     
  • Kleidung bei behinderungsbedingten Änderungen oder erhöhtem Verschleiß

Widerspruch gegen die Abzweigung des Kindergeldes

Gegen einen Abzweigungsantrag sollten Eltern auf alle Fälle Widerspruch einreichen.

Du bist zwar nicht dazu verpflichtet, dem Sozialhilfeträger die Kontakte zu deinem Kind oder die getätigten Aufwendungen nachzuweisen. Allerdings ist es sinnvoll mit dem Sozialamt zu kooperieren, um die Abzweigung des Kindergeldes zu vermeiden.

Der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm) stellt auf seiner Seite zahlreiche Argumentationshilfen und Musterwidersprüche zur Verfügung. 
 
Auch die Bundesvereinigung der Lebenshilfe informiert auf ihrer Seite über die Abzweigung von Kindergeld und stellt dir einen Musterantrag auf Aufhebung der Abzweigung zur Verfügung. 

Das waren jetzt sehr viele Informationen. Kindergeld ist eines der am häufigsten gefragten Themen bei uns. Schau doch mal bei uns in der Community vorbei. Falls du eine Frage hast, kannst Du sie unter anderem dort stellen.

Wann kommt die Kindergrundsicherung?

Die Kindergrundsicherung wird voraussichtlich zum 01.01.2025 in Kraft treten. Das Kindergeld wird dann vom künftigen Kindergarantiebetrag abgelöst. Zusätzlich wird auch ein einkommensabhängiger Kinderzusatzbetrag eingeführt. 
Die Kindergrundsicherung führt dann verschiedene Leistungen zusammen: 

  • das Kindergeld
     
  • den Kinderzuschlag
     
  • den Kinderregelbedarf aus dem Bürgergeld und der Sozialhilfe
     
  • Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes

Weitere Informationen findest Du auf der Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Sobald die Kindersicherung umgesetzt wurde, findest Du auch in diesem Fachbeitrag weitere Informationen zu dem Thema.

Weiterführende Informationen
Quellenverzeichnis
Bildquellen
  • https://www.istockphoto.com/de/foto/papier-familie-aussparung-am-euro-banknoten-family-budget-konzept-gm914435446-251682096